„Kleine Firmen profitieren vom Internet der Dinge“

Interview mit dem Präsidenten von Silicon Saxony, Heinz Martin Esser, über das Potential von sächsischen Startups.

HME

Heinz Martin Esser ist der Präsident des Branchenverbandes Silicon Saxony. Foto: PR

Dresden. Dresden ist bekannt für seine Halbleiterindustrie. Globalfoundries oder Infineon sind bekannte Namen. Allerdings gibt es in der Region nicht nur die großen etablierten  Firmen, sondern auch viele kleine innovative Startups. Vor allem die Software-Industrie spielt eine große Rolle und treibt Enwicklungen wie zum Beispiel das „Internet der Dinge“ voran. Wir haben uns mit dem Präsidenten von Silicon Saxony, Heinz Martin Esser über die Chancen und Herausforderungen des sächsischen IT-Sektors unterhalten.

Founderella: Herr Esser, Sachsen war immer berühmt für Innovationen. Wie beurteilen Sie die Firmen, die im Silicon Saxony organisiert sind? Gibt es dort viele interessante Startups?

 Heinz Martin Esser: Ja, das denke ich schon. Wir haben eine ganze Menge an hoch spannenden Firmen, die sich gemeinsam mit Universitäten, Fachhochschulen und Forschungsinstituten sehr intensiv mit innovativen Lösungen beschäftigen.

Welcher Bereich ist besonders innovativ?

 Das ist letztendlich ein sehr breites Feld, angefangen bei den Halbleiterherstellern bis hin zur Mikro- und Nanoelektronik. Aber natürlich ist einer der großen Schwerpunkte hier am Standort die Software. Von 2200 bis 2300 Firmen aus den zum Silicon Saxony gehörenden Industriefeldern sind etwa 1500 bis1600 Softwarefirmen. Viele sind nicht sehr groß und haben teilweise nur fünf bis zehn Mitarbeiter. Gerade aber in diesen kleinen Softwareeinheiten funktioniert eine Menge an Entwicklung, eine Menge an Innovation.

Wie viele Gründungen gibt es im IT-Bereich in Sachsen pro Jahr?

 Wir wissen, dass es in Sachsen etwa 100 Neugründungen pro Jahr gibt, bei denen Software als Beiwerk oder als Schwerpunkt eine Rolle spielt. In Dresden rechnen wir mit etwa 30 bis 40 Neugründungen in sehr speziellen Bereichen, dazu gehört natürlich vielfach die Software, aber auch damit verbundene Themen z.B. im Bereich der Prozesssteuerung. Außerdem sind Entwicklungen wie Industrie 4.0 oder Internet der Dinge große Spielwiesen für unsere sächsischen Firmen.

Welche Schwerpunkte haben sich im Softwarebereich gebildet?

Zu nennen ist hier auf jeden Fall die Mobilfunkkommunikation. So gibt es u.a. handybasierte Steuerungssysteme von technischen Anlagen, bei denen die entsprechenden Chips mit Software ausgestattet werden müssen. Schließlich benötigen die Sensoren, die Aktuatoren und die Reaktoren, die für ein Internet der Dinge notwendig sind, eine Softwareplattform auf dem Chip, um zu funktionieren. Man muss zudem eine Infrastruktur schaffen, damit sich Daten und Signale der Geräte austauschen können. Das wird sicher in den nächsten Jahren ein ganz spannendes Feld für die bestehenden Firmen sowie für Neugründungen werden.

Wer profitiert von dieser Entwicklung?

Ich habe letztens eine Präsentation zum Thema „Internet of Things“ gesehen. Da wurde gezeigt, mit wem man es in diesem Bereich auf der Firmenseite zu tun hat. Spannend war daran, dass es nicht die großen etablierten und bekannten Unternehmen sind, sondern dass viele kleine Firmen mit neuen Geschäftsideen in diese Thematik einsteigen und ganz spezielle Lösungen entwickeln.

Wenn man die Wichtigkeit der IT-Branche für Dresden, Sachsen und Deutschland betrachtet, denken Sie, dass die Politik genügend tut, um kleine Startup-Unternehmen zu unterstützen?

 Der große Ruf nach der Regierung ist immer so ein spannendes Thema. Ich bin der Meinung, dass wir hier in Sachsen auf der politischen Seite sehr gut unterstützt werden. Die Hightech-Industrie ist über viele Jahre von der sächsischen Regierung gefördert worden und auch jetzt im neuen Koalitionsvertrag von CDU und SPD steht drin, dass man in Sachsen ein eigenes Forschungsinstitut für Software einrichten will. Das ist eine ganz klare politische Botschaft, weil man natürlich weiß, dass daraus wieder Innovationen und neue Produkte entstehen.

Ein Vorteil ist dabei auch, dass dieser Standort eine gewisse Einmaligkeit hat, indem die Software, die entwickelt wird, mehr oder weniger auf der Hardware erprobt und getestet werden kann. Umgekehrt ist oft auch die Hardware Ausgangspunkt, um die Entwicklung von Software voranzutreiben.

Könnten Sie da bitte noch mal ein Beispiel nennen?

Mir fallen jetzt spontan Themen ein, die z.B. gemeinsam mit der Technischen Universität Dresden und dem Vodafone-Lehrstuhl von Prof. Fettweis bearbeitet worden sind. In Anbetracht der 5G-Mobilfunkkommunikation wurde neue Software benötigt, um den entsprechenden Chip mit seinen Leistungsmöglichkeiten nutzen zu können.

Nachdem wir bereits über die Rolle der Politik gesprochen haben, würde uns interessieren, was der Verein Silicon Saxony tut, um die Gründerkultur zu fördern?

 Im Wesentlichen geht es darum, dass wir Gründern das Netzwerk des Silicon Saxony zur Verfügung stellen wollen, sei es um Informationen zu bekommen oder Kontakte zu anderen Unternehmen. Wir möchten dazu betragen, dass elementare Fehler vermieden werden und die Firmen schneller erfolgreich sind.

Nun werden ja Entwicklungen nicht nur vom Wissen getrieben, sondern auch vom Kapital. Was kann man in Sachsen tun, um z.B. mehr Venture Capital anzulocken?

Ich glaube, wir haben in Sachsen und in Deutschland in diesem Bereich ein etwas konservatives Verhalten der Gründer, aber auch der Firmeneigner. Die Leute haben Angst, die Kontrolle über ihr Unternehmen zu verlieren und lehnen daher Venture-Kapitalisten, die sich beteiligen möchten, ab. Die Gründer in Deutschland wollen ihre Firmen lieber aus eigener Kraft wachsen lassen. Das begrenzt zwar manches, kann aber auch sehr erfolgreich sein, wie wir nach der Wende gesehen haben.

Ist das auch ein kultureller Unterschied zwischen Deutschland und den USA?

Da gibt es durchaus große Unterschiede. Man kann das vielleicht mit dem Beispiel Immobilien verdeutlichen. Während wir in Deutschland immer sehr solide Häuser aus Stein bauen, werden die Häuser in den USA aus Holz und Span errichtet. Folglich sind die dann auch nicht für die Ewigkeit. In Amerika herrscht einfach eine größere Lust am Ausprobieren sowie die Bereitschaft zu schnellen Veränderungen.

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Die Golden Gate Bridge in San Francisco: Sinnbild für das nahe gelegene Silicon Valley. Foto: Stephan Hönigschmid

Sie kommen ja viel in der Welt herum, gib es etwas was man vom Silicon Valley lernen kann oder ist das ein völlig anderes Modell, das auf unsere Verhältnisse nicht zu übertragen geht?

Wie bereits erwähnt, gibt es zum einen Mentalitätsunterschiede, aber auch strukturell ist bei uns vieles anders. Während das Silicon Valley heute kein Produktionsstandort mehr ist, sondern eher ein Ort der großen Ideen, der Webseitenthematik, ist Dresden ein Industriestandort, der sich durch Produktion und Wertschöpfung auszeichnet. Wir haben ja hier Leuchttürme wie Globalfoundries und Infineon, die am Ende ein Anker für viele kleinere Partner sind, welche sich ansiedeln und ihre Geschäftsidee mit den Großen realisieren können.

Wenn man über die Rahmenbedingungen nachdenkt, kommen einem auch die Universitäten in den Sinn. So hat der legendäre Stanford-Professor Frederick Terman viele seiner Studenten ermutigt, Firmen zu gründen, anstatt eine Doktorarbeit zu schreiben. Er gilt daher auch als Vater des Silicon Valley. Wäre so was auch bei uns denkbar?

Man kann die Dinge nicht so ohne weiteres miteinander vergleichen. Stanford selbst ist ja ein hoch profitables Wirtschaftsunternehmen. Das sind vollkommen andere Strukturen als an staatlichen Unis in Deutschland.

Was wir vielleicht lernen können ist, dass sich unsere Universitäten nicht nur auf die Forschung, die reine Lehre und auf die Technologien fokussieren sollten, sondern es gut wäre, wenn sie auch als Marktteilnehmer agieren würden. Auf diese Weise kann das entstehende Wissen auch für entsprechende Produkte vermarktet werden.

In Dresden haben wir einige Professoren, die sich in dieser Hinsicht sehr stark engagieren. Sie helfen Studenten dabei, ihre Ideen und Unternehmensgründungen auf den Weg zu bringen. Teilweise machen sie das auch mit eigenem Geld, weil sie an ihre Kandidaten glauben. Bei insgesamt 40.000 Studenten ist das aber natürlich nicht bei jedem möglich.

Unterm Strich sind wir als Silicon Saxony aber auch unabhängig von möglichen Unternehmensgründungen zufrieden, dass jedes Jahr so viele gut ausgebildete Fachkräfte die Dresdner Universität verlassen und in unseren Firmen arbeiten.

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Der Eingangsbereich zum Hauptcampus der Stanford University. Foto: Stephan Hönigschmid

Zum Abschluss noch die Frage. Wo sehen sie den IT-Standort Sachsen in zehn Jahren?

Ich würde mir wünschen, dass sich noch ein weiteres Großunternehmen in Dresden ansiedelt. Wir haben in den vergangenen 25 Jahren gesehen, was das für einen Sog entfaltet. Denn viele kleine Unternehmen, die sich in die Wertschöpfungskette einbringen möchten, folgen den großen Firmen nach.

Herr Esser, danke für das Gespräch.

Interview: Stephan Hönigschmid

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