Spielend Programmieren lernen – drei Leipziger haben die Lösung
Weil es für Grundschüler kaum Lernmaterialien auf Deutsch gab, entwickelten drei Gründer aus Leipzig einen Online-Programmier-Kurs. Erste Schulen nutzen ihn bereits für den Unterricht.
Leipzig. Programmieren wird immer wichtiger. Während sich früher nur Computerfreaks dafür begeistern konnten, haben heute selbst Grundschulkinder schon Interesse. Allerdings ist das in Deutschland gar nicht so einfach. „Aus eigener Erfahrung in der Familie sowie durch ehrenamtliche Programmierkurse in Schulen haben wir festgestellt, dass es kaum geeignete Lernmaterialien in deutscher Sprache gibt“, sagt Andreas Koch (39) vom Leipziger Startup „Code it!“.
Weil der Pädagoge trotzdem merkte, welch große Nachfrage es nach Programmierkursen gibt, überlegte er sich mit seinen Brüdern Matthias (40) und Uwe (37), die aus den Bereichen Web- und Spieleentwicklung kommen, eine Lösung. „Unser Ziel war es, einen Online-Programmierkurs zu entwickeln, der Kindern einen leichten Einstieg ins Programmieren ermöglicht. Vorbilder waren Programme wie beispielsweise Scratch vom Massachusetts Institute of Technology, die es jedoch nur auf Englisch gab“, sagt Andreas Koch.
Blockprogrammierung statt einzelner Programmiersprache
Nachdem die Gründer mit Hilfe eines SAB-Technologiegründerstipendiums ein Jahr lang getüftelt hatten, war im Februar 2018 der erste Kurs fertig. Eine spezielle Programmiersprache wie zum Beispiel C++, Java oder Python lernen die Kinder darin aber nicht. „Wir setzen auf die Blockprogrammierung. Studien haben gezeigt, dass es Kindern leichter fällt, wenn sie auf diese Weise einsteigen“, sagt Koch.
In der Praxis funktioniert das dann folgendermaßen: Ein Schüler schaut sich ein Video über ein Programmierkonzept wie zum Beispiel eine Schleife oder eine Bedingung an. Anschließend kann er das Gelernte auf einer Arbeitsoberfläche selbst ausprobieren. Wenn es klappt, erscheint eine Erfolgsmeldung und wenn etwas falsch ist, wird er auf den Fehler hingewiesen. Anders als bei einer einzelnen Programmiersprache muss der Nutzer nicht jede Zeile selbst schreiben, sondern reiht fertige Blöcke aneinander, die die entsprechenden Befehle enthalten.
„Für Schüler ist das motivierender, weil so nicht die Gefahr besteht, dass sie eine Klammer oder ein Semikolon vergessen und das Programm deshalb nicht läuft“, erklärt Andreas Koch. Damit die Kinder bei den Blöcken die Übersicht behalten, bekommen sie nicht sofort Zugriff auf Hunderte Blöcke, sondern erst einmal auf drei pro Kurs. Setzen sie diese korrekt aneinander, haben sie unter anderem die Möglichkeit, ihre eigenen Videospiele zu programmieren.
(Screenshot vom Programmierbereich des „Code it!“-Kurses – zum Vergrößern draufklicken)
15.582 Euro per Crowdfunding eingesammelt
„Wir zeigen ihnen auch sonst, wo Konzepte wie Schleifen in Anwendungen wie Webseiten, Animationen und Grafiken vorkommen“, erklärt Andreas Koch, der auch Chancen für das fächerübergreifende Lernen sieht. „Mathe oder Physik bleiben bei uns nicht abstrakt, sondern man sieht konkret, wo man das Wissen anwenden kann“, sagt Koch. Mittlerweile haben die Gründer von „Code it!“ bereits einen zweiten Kurs herausgebracht. Der dritte soll im Oktober folgen. Außerdem sammelten sie über die Plattform Kickstarter beim Crowdfunding 15.582 Euro ein, so dass der Weiterentwicklung des Projektes nichts im Weg steht.
Eine positive Resonanz kommt auch von den Grundschulen. Die Schulleiterin der Leipziger Fanny-Hensel-Schule, Solveig Haegeler, setzt auf auf die neuen Möglichkeiten. „Ab der zweiten Klasse führen wir die Kinder in unseren Ganztagsangeboten an den Computer an. In der 3. und 4. Klasse wird er in den Mathematikunterricht integriert“, sagt Haegeler.
Leipziger Grundschule nutzt Kurs für Ganztagsangebot
Der Online-Kurs von „Code it!“ werde seit August in den sogenannten Robotik-Kursen eingesetzt. „Die Kinder können dort zum Beispiel elektronische Käfer programmieren und dann eingeben, welche Strecke diese zurücklegen sollen“, sagt die Schulleiterin. Da der zusätzliche Unterricht im Rahmen des sogenannten „Erasmus+“-Projektes angeboten wird, ist er für die Kinder kostenfrei. Neben dem Unterricht besuchen die Erasmus-Grundschüler ähnlich wie Studenten einmal im Jahr Partnerschulen in anderen europäischen Ländern und tauschen sich über das Programmieren aus.
„Unsere Schüler wohnen dann eine Woche in einer Gastfamilie. Unter anderem waren wir schon in Schweden und in Italien.“ Dass Deutschland bei der Digitalisierung der Schulen besonders weit vorne liege, könne sie nicht bestätigen. So verfüge etwa in Schweden bereits jeder Schüler über ein eigenes Tablet, so Haegeler.
Lehrer unzureichend auf Digitalisierung vorbereitet
Ebenfalls Nachholbedarf gibt im pädagogischen Bereich. Das bestätigt die Studie „Lehramtsstudium in der digitalen Welt – Professionelle Vorbereitung auf den Unterricht mit digitalen Medien?!“ der Bertelsmann-Stiftung. An der Erhebung beteiligten sich alle 16 Bundesländer und 63 von 70 lehrerbildenden Hochschulen. Sie weist unter anderem darauf hin, dass die Vorbereitung auf den späteren Einsatz digitaler Medien im Fachunterricht noch kein Pflichtbestandteil des Lehramtsstudiums aller Fächer und Lehramtstypen ist.
Stephan Hönigschmid