„Ich wollte nicht länger das ‚Programmieräffchen‘ sein“

Frauen sind in Sachsens Gründerszene noch immer in der Minderheit. Die Dresdnerin Cathleen Scharfe ließ sich davon nicht abschrecken, sondern folgte ihrem Traum. 

Die Dresdner Gründerin Cathleen Scharfe hat sich bewusst für die Selbstständigkeit entschieden. Mit Zuversicht schaut sie in die Zukunft. Foto: Siegfried Michael Wagner für „herzdigital“

Die Dresdner Gründerin Cathleen Scharfe hat sich bewusst für die Selbstständigkeit entschieden. Mit Zuversicht schaut sie in die Zukunft. Foto: Siegfried Michael Wagner für „herzdigital“

Dresden. Viele Menschen träumen davon, sich selbstständig zu machen. Allerdings setzen nur die Wenigsten ihr Vorhaben um. Vor allem Frauen sind als Selbstständige und Gründer eine Seltenheit. Nur knapp acht Prozent aller erwerbstätigen Frauen sind in Sachsen laut Gleichstellungsministerium selbständig tätig. Interessanter als die Zahlen sind jedoch die Menschen dahinter. Eine Frau, die gewissermaßen den Sprung ins kalte Wasser gewagt hat, ist die 31-jährige Cathleen Scharfe. Seit 2016 ist sie als App-Entwicklerin tätig. Nach einigen Jahren als Freiberuflerin hat sie 2019 mit „herzdigital“ ihre eigene Agentur gegründet. 

Flexibel und ortsunabhängig arbeiten als großes Ziel

Für die Dresdnerin steht beim Unternehmertum von Anfang an die Begeisterung an erster Stelle. „Ich habe eigentlich nie darüber nachgedacht, ob es in der Gründerszene oder in der Informatik nur wenige Frauen gibt. Bei mir war einfach der Drang so groß, etwas Eigenes zu machen.“ Als sie noch angestellt war, habe sie die Freiberufler immer bewundert: „Das war echt cool. Die konnten in unserer Agentur praktisch kommen und gehen wann sie wollten. Diese Möglichkeit, sich seine Zeit frei einteilen zu können und auch ortsunabhängig zu arbeiten, haben mir gefallen“, erinnert sich Cathleen Scharfe.

Sie halte nichts davon, nur die Zeit abzusitzen. Stattdessen müsse die Leistung dem aktuellen Energielevel angepasst werden, sagt sie. Darüber hinaus ist es gerade im App-Markt auch wirtschaftlich attraktiv, sich selbstständig zu machen. „Das Potenzial ist wirklich enorm. Als Entwickler hat man da viele Chancen“, sagt die 31-Jährige. 

Start mit nebenberuflicher Selbstständigkeit

Mitte 2016 fällt für Cathleen Scharfe der Startschuss. „Ich habe das erste halbe Jahr nebenberuflich gegründet. Das hat mir die Zeit gegeben, in Ruhe alles vorzubereiten und beispielsweise meine Internetseite aufzusetzen und die Profile auf LinkedIn und Xing zu pflegen“, sagt die studierte Informatikerin.

Ernst wird es ab Januar 2017, als sie vollständig auf eigenen Füßen steht. Lange auf Aufträge warten muss sie aber nicht. Auch da hatte sie die Weichen im Vorfeld bereits richtig gestellt. „Ich hatte mich bei einer Agentur registriert, die Aufträge für App-Entwickler vermittelt. Obwohl dabei 20 Prozent Provision fällig werden, ist das gerade zu Beginn der Selbstständigkeit eine gute Option.“ Außerdem nehme einem die Agentur jede Menge Bürokratie ab, so Cathleen Scharfe. 

Cathleen Scharfe während eines Gesprächs in ihrem Büro im Dresdner Impact Hub. Foto: Siegfried Michael Wagner für „herzdigital“

Cathleen Scharfe während eines Gesprächs in ihrem Büro im Dresdner Impact Hub. Foto: Siegfried Michael Wagner für „herzdigital“

Erster Auftrag in Berliner Agentur

Ihr erster Auftrag führt die Dresdnerin in eine Berliner Agentur. Und dort gibt es gleich eine klare Ansage. „Ich wurde als Android-Entwicklerin eingekauft. Und da hieß es, dass man mich nicht engagiert hätte, wenn ich nicht die absolute Expertin auf dem Gebiet wäre.“ Zwei Monate dauert das Gastspiel in der Hauptstadt, dann ist der Auftrag abgeschlossen.

Anschließend braucht Cathleen Scharfe keine Hilfe mehr, um an Aufträge zu kommen. „Ich habe mich zwar bei der Vermittlungsagentur noch nicht abgemeldet. Allerdings habe ich in der Folgezeit sehr von der Mund-zu-Mund-Propaganda profitiert. Es sind zahlreiche Anfragen bei mir eingegangen“, denkt sie an die Zeit zurück. 

Notwendigkeit, sich selbst besser zu organisieren

Obwohl es gut läuft, ist sie auch selbstkritisch. „Ich habe bestimmte Arbeitsabläufe auf den Prüfstand gestellt.“ Anstatt sich einfach hinzusetzen und loszuarbeiten, habe sie ihre Arbeit zunehmend strukturiert. „Ich habe beispielsweise den Tag in Blöcke eingeteilt. Es gibt klare Abläufe, was unter anderem bedeutet, dass E-Mails nur zu festen Zeiten abgerufen werden“, erklärt die Gründerin. Parallel dazu hat sie auch ihr Geschäftsmodell weiterentwickelt und 2019 das auf Gesundheits-Apps spezialisierte Unternehmen „herzdigital“ gegründet. 

App-Entwicklung von Anfang bis Ende betreuen

„Überspitzt gesagt wollte ich nicht länger das ‚Programmieräffchen‘ sein und nur einen Teilbereich einer App betreuen. Mir war es wichtig, den Prozess von Anfang bis zum Ende zu begleiten.“ Ein Stundensatzdenken passe dazu nicht. Daher gebe es in ihrer Firma seitdem nur noch Produkt- und Workshop-Pakete, so Cathleen Scharfe.

Zusätzlich zu den organisatorischen Überlegungen existiert auch eine emotionale Komponente: „Ich habe mir gewünscht etwas zu machen, wo ich direkt einen Nutzen beim Menschen sehe. Der Gesundheitsmarkt bietet sich dafür an.“ So habe sie mit „herzdigital“ für das Startup „Lingo Lab“ eine Logopädie-App entwickelt, welche es ermöglicht, die Therapie des Logopäden zu Hause fortzusetzen.

„Mit der App können die Patienten die Aussprache von bestimmten Worten trainieren und bekommen gleich Feedback, ob es richtig ist“, erklärt Cathleen Scharfe und fügt an: „Das ist nur ein Beispiel. Im Gesundheitsbereich gibt es jede Menge Probleme, für die eine digitale Lösung denkbar ist. Häufig fehlt jedoch das technische Wissen. Mit ‚herzdigital‘ will ich dabei helfen, damit diese Projekte umgesetzt werden können.“

Mit ihrer Agentur „herzdigital“ hat Cathleen Scharfe den Gesundheitsmarkt fest im Blick. Foto: Siegfried Michael Wagner für „herzdigital“

Mit ihrer Agentur „herzdigital“ hat Cathleen Scharfe den Gesundheitsmarkt fest im Blick. Foto: Siegfried Michael Wagner für „herzdigital“

Mit Charme und Durchsetzungsvermögen

Bei den Verhandlungen für die Projekte trifft Cathleen Scharfe noch immer auf eine von Männern dominierte Welt. Gelegentlich muss sie sich als junge Frau dabei den nötigen Respekt erst erkämpfen. „Es gab Situationen, wo ich mich nicht ernst genommen gefühlt habe. Ich habe das dann auch mal direkt angesprochen.“ Sie empfinde das als Ungerechtigkeit, sagt die Gründerin und fügt an: „Allerdings habe ich immer versucht, mich eher auf meine Leistung zu konzentrieren und damit zu überzeugen, anstatt mich darauf zu fokussieren, wo ich vielleicht nicht ernst genommen werden könnte.“

Anderen Frauen will die Gründerin Mut machen, ebenfalls ihre Träume zu verwirklichen. „Ich habe bei Workshops in Schulen festgestellt, dass viele Mädchen Angst vorm Programmieren haben. Es ist wichtig, ihnen zu zeigen, dass das keine Magie ist, sondern dass sie es können, wenn sie sich damit beschäftigen“, denkt die Gründerin, die seit ihrer Kindheit von der Computerwelt fasziniert ist. 

Stephan Hönigschmid

https://www.herzdigital.de

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Stephan Hönigschmid – Gründer von Founderella

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