„Gründerinnen kommen auch in Sachsen schlechter an Kapital als Männer“

Mit ihrem Freiberger Gründerinnen-Programm Foundress wollen Prof. Karina Sopp und Isabel Schulze Frauen Mut machen, ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Warum das bisher oft an einem fehlenden Netzwerk und zu wenig Risikokapital scheitert, berichten sie im Founderella-Interview.

Prof. Dr. Karina Sopp ist Inhaberin der Professur für Entrepreneurship und betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der TU Bergakademie Freiberg. Foto: Detlef Müller für TU Bergakademie Freiberg

Karina Sopp ist Inhaberin der Professur für Entrepreneurship und betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der TU Freiberg. Sie begleitet das Foundress-Programm wissenschaftlich. Foto: Detlef Müller für TU Bergakademie Freiberg

Frau Prof. Sopp, Frau Schulze, in Sachsen wird häufig beklagt, dass es zu wenig Gründerinnen gibt. Was ist da dran?

Karina Sopp: Nimmt man die jüngsten Zahlen des Instituts für Mittelstandsforschung liegt die Zahl der gewerblichen Gründungen von Frauen bei etwa 30 Prozent. Obwohl noch Luft nach oben ist, gibt es auf jeden Fall einen steigenden Trend. In den vergangenen fünf Jahren legte die Zahl der Gründerinnen um circa fünf Prozentpunkte zu. Dieser deutschlandweite Trend lässt sich auch auf Sachsen übertragen. 

Isabel Schulze: Betrachtet man hingegen nur die Startups nach Definition des Deutschen Startup Monitors, dann sieht es ein wenig anders aus. Da kann ich zwar nur auf deutschlandweite Zahlen verweisen, aber in Sachsen ist es ähnlich. Demnach ist die Quote der Gründerinnen in diesem Bereich von 2015 bis 2020 von 13 auf 16 Prozent gestiegen. Somit geht die Entwicklung nach oben, aber beschwerlich.  

Isabel Schulze leitet das Projekt Foundress an der TU Freiberg. Foto: privat

Isabel Schulze leitet das Projekt Foundress an der TU Freiberg. Foto: privat

Vorbilder sollen Frauen ermutigen

Mit dem Programm Foundress versuchen Sie an der TU Bergakademie Freiberg, Frauen die Gründung eines Unternehmens schmackhaft zu machen. Welche Motive treiben die Frauen dabei an?

Isabel Schulze: Bei den Wissenschaftlerinnen ist ganz oft der Punkt, dass sie im Rahmen einer Promotion oder eines Forschungsprojektes etwas entwickelt haben und nicht wollen, dass es in der Schublade verschwindet. Man kann hier wirklich von der intrinsischen Motivation, das eigene Projekt über die Grenzen der Forschung hinaus weiterzuentwickeln, sprechen.

Natürlich ist auch das Schaffen einer beruflichen Perspektive über die Promotion oder Forschungstätigkeit hinaus ein Thema. Anders ist das bei Studentinnen, die möchten die Gründung oft nutzen, um sich ein Netzwerk aufzubauen und sich auszuprobieren.

Karina Sopp: Ein fehlendes Netzwerk ist übrigens häufig auch ein Grund, warum sich Frauen gegen eine Gründung entscheiden. Wenn man jemanden in der Familie hatte, der gegründet hat, liegt das vielleicht nahe, aber wenn das nicht der Fall war, dann kommt man an nicht auf den Gedanken. Wir bringen unsere Teilnehmerinnen daher mit begeisterten Unternehmerinnen zusammen, um sie zu ermutigen. 

Isabel Schulze (vorne links) mit Teilnehmerinnen des Foundress-Programms. Foto: Foundress/privat

Isabel Schulze (vorne links) mit Teilnehmerinnen des Foundress-Programms. Foto: Foundress

Netzwerken und Entwicklung der Persönlichkeit

Seit wann gibt es das Programm und wie ist es aufgebaut?

Karina Sopp: Im Herbst 2019 haben wir Foundress erstmalig durchgeführt. Dabei begleiten wir ausgewählte Gründerinnen über sechs, sieben Monate und wollen ihnen zum einen das nötige Wissen und zum anderen den Kontakt zu Investorinnen und Investoren oder anderen Gründerinnen vermitteln. Eine wichtige Rolle spielen auch die Entwicklung der Gründerpersönlichkeit und beispielsweise die Frage, wie sich Gründung und Familie vereinbaren lassen.

Das Schöne ist, dass mit dem Programm schon erfolgreiche Gründerinnen begleitet werden konnten. Zu nennen wären unter anderem die Projekte NaPaGen – mit Tintentexturen für den Inkjet-Druck in der gedruckten Elektronik (Nanopartikel-Tinte für Tintenstrahldrucker, Anm. d. Red.), oder Rockfeel  ein intelligentes Sensorsystem für Teilschnittmaschinen im Bergbaubereich.

Isabel Schulze: Wir haben jetzt die ersten zwei Runden abgeschlossen. Bisher haben 33 Frauen teilgenommen. Im Schnitt gibt es pro Durchgang 15 Teilnehmerinnen. Im Herbst setzen wir das Programm mit der dritten Runde fort. Die Anmeldung läuft übrigens noch bis 31. Juli über unsere Homepage www.foundress.de.

Toilettengespräch führt zu Gründerinnen-Programm

Gab es einen speziellen Anlass für den Start von Foundress?

Karina Sopp: In der Tat ist die Gründung auf eine erfreuliche Begebenheit zurückzuführen. Kurz nach meinem Wechsel von der Universität Wien an die TU Freiberg habe ich an einer Begrüßungsveranstaltung für die neuen Professoren teilgenommen. Bei einem Toilettengespräch am Waschbecken bin ich zufällig mit der Leiterin der Graduierten- und Forschungsakademie, Frau Dr. Wopat, ins Gespräch gekommen. Sie offenbarte mir, dass bei einer guten Projektidee Mittel für die Frauenförderung zur Verfügung stehen würden. In dem Zuge sind wir darauf gekommen, Gründerinnen zu fördern. Das war ein 5-Minuten-Gespräch, aber so ist es losgegangen. 

Obwohl es im Englischen gar kein Wort für Gründerin gibt, ist Ihnen das Kunststück gelungen, mit Foundress einen eigenen Begriff zu kreieren. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Isabel Schulze: Das ist durch ein Brainstorming entstanden. Es gab den Founder und den wollten wir verweiblichen. Ich bin ein Marvel-Fan und da haben wir an diese typischen Superheldinnen gedacht, weshalb auch die Figur auf unserem Logo dieses markante Kleid anhat. Die Kombination aus „Founder“ und dem entsprechenden „Dress“ führte zu „Foundress“.

Freiberger Fitness-Studio meistert Corona-Krise

Zum Foundress-Programm gehört ein monatlicher Podcast? Wer kommt dort zu Wort?

Karina Sopp: Ähnlich wie im Programm geht es auch im Podcast darum, Gründerinnen vorzustellen, die für andere inspirierend sind. Darüber hinaus kommen andere Personen zu Wort, die mit Gründungen zu tun haben. Beispielsweise habe ich in einer Folge Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier interviewt, der gerade mit der Gründungsoffensive „Go“ unterwegs war. 

Isabel Schulze: Obwohl alle Folgen interessant waren, hat mir zuletzt unser Corona-Spezial gut gefallen. Dort hat beispielsweise das Freiberger LadyCenter beschrieben, wie es die Corona-Krise genutzt hat, um das Geschäftsmodell des Fitnessclubs anzupassen und neue Wege zu gehen. So wurde eine neue Form der Mitgliedschaft, eine Onlinemitgliedschaft, geschaffen, die neben Live Classes (Online-Unterricht, Anm. d. Red.) und Newslettern auf ein individuelles Angebot mit On Demand Classes (z.B. Trainingsvideos oder Tutorials, Anm. d. Red.) setzt – eine wirklich tolle Idee, die ich danach direkt selbst ausprobiert habe. Das war für mich sehr überraschend.

Frauen kommen schlechter an privates Kapital

Neben der richtigen Geschäftsidee entscheidet vor allem das nötige Kleingeld darüber, ob eine Firma erfolgreich ist. Allerdings ist der Zugang zu Risikokapital in Sachsen noch ausbaufähig. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Karina Sopp: Erfreulicherweise können wir hier aus erster Hand berichten. So ist eine Mitarbeiterin an der Professur tätig, die zugleich bei einem Unternehmen beschäftigt ist, das Gründungsfinanzierungen umsetzt und begleitet. Ihre praktischen Erfahrungen zeigen ebenso wie die Forschungstätigkeiten, die an der Professur dazu durchgeführt werden, dass Frauen eine schlechtere Ausgangsposition haben, um an Kapital zu kommen als das bei den Männern der Fall ist. Das ist problematisch, weil gerade die innovativen Gründungen besonders kapitalintensiv sind. 

Isabel Schulze: Wie das mit den privaten Investorengeldern in Sachsen ist, kann ich schwer einschätzen. Positiv hervorzuheben ist jedoch definitiv die öffentliche Förderung. Neben diversen EU- und Landesprogrammen wird beispielsweise das EXIST-Programm des Bundeswirtschaftsministeriums für Ausgründungen von Forschungsprojekten wirklich rege genutzt.

Hinzu kommt, dass das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr kürzlich eine eigene Validierungsrichtlinie auf den Weg gebracht hat. Dabei geht es um die Übergangsphase, in der es gilt, einen Nachweis über die Funktionsfähigkeit und die technische sowie wirtschaftliche Umsetzbarkeit der eigenen Forschungsergebnisse zu erbringen. Es ist toll, dass diese Lücke im Rahmen der öffentlichen Förderung nun geschlossen wird. 142 Anträge hat es dafür im vergangenen Dezember aus ganz Sachsen gegeben. Das ist eine ganze Menge – ein Zeichen, dass es in diesem Bereich Handlungsbedarf gab.

Zum Abschluss noch ein Ausblick. Welche Pläne haben Sie noch mit Ihrem Programm?

Karina Sopp: Zunächst wünsche ich mir, langfristig einen großen Kreis an Studentinnen und Nachwuchswissenschaftlerinnen mit dem Programm fördern zu können. Darüber hinaus hätte es Vorteile, das Programm regional zu öffnen und mehr Gründerinnen und Partnerinnen für die TU zu gewinnen. Davon würden auch die bisherigen Teilnehmerinnen profitieren. Eine weitere Digitalisierung des Programms ist ebenfalls geplant. Wir arbeiten an einem Contentsystem, das den Teilnehmerinnen die einzelnen Bausteine auch digital bereitstellt. Gerade wenn man Familie hat, kann man sich so auch zeit- und ortsunabhängig weiterbilden und vernetzen. 

Interview: Stephan Hönigschmid

Kurzbiografie: 

  • Karina Sopp ist Inhaberin der Professur für Entrepreneurship und betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der TU Bergakademie Freiberg und zudem für die wissenschaftliche Projektleitung von „FOUNDress“ verantwortlich. 
  • Isabel Schulze ist als Technologiescout für das Gründernetzwerk „SAXEED“ am Standort Freiberg sowie als Projektleiterin für das Projekt „FOUNDress“ an der TU Bergakademie tätig. 

 

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Stephan Hönigschmid – Gründer von Founderella

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