Chemnitzer Gründer reduzieren CO2 in der Autoindustrie

Lange waren Ladungsträger in der Autoindustrie vor allem aus Stahl. Dann kam das Startup Ligenium und zeigte, dass es auch mit Holz geht. Neben dem Trend zum Klimaschutz profitiert die Firma auch von der zunehmenden Elektromobilität und 5G-Fabriken.

Angela Grimmer, Dr. Ronny Eckardt, Dr. Sven Eichhorn und Christoph Alt (v.l.n.r.) sind die Gründer von Ligenium. Foto: PR/Ligenium

Chemnitz. Der Klimawandel ist in aller Munde. Um ihn zu bekämpfen, hat es sich Deutschland zum Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen bis 2040 um 70 Prozent zu senken. Allerdings wird das mit Einsparungen allein nicht gelingen. Notwendig sind auch Innovationen, zum Beispiel von Startups.

Holz statt Stahl 

Ein Startup, das in dieser Hinsicht seinen Beitrag leistet, ist die Chemnitzer Firma Ligenium. Sie stellt sogenannte Ladungsträger für die Automobilindustrie her. Mit denen können beispielsweise Teile der Karosserie oder Autositze transportiert werden. Das Besondere daran ist: Statt wie bisher aus Stahl sind die Ladungsträger bei Ligenium aus Holz. Auf diese Weise lässt sich die Hälfte des Gewichts einsparen und somit der C02-Fußabdruck verringern. Wer nun allerdings denkt, das seien einfach irgendwelche zusammengesteckten Holzkisten, der irrt. Damit die Ladungsträger in Leichtbauweise nämlich die gleichen Eigenschaften wie ihre Pendants aus Stahl haben, ist jede Menge wissenschaftliches Know-how aus dem Maschinenbau notwendig. 

Universitäre Forschung als Grundlage

„Am einfachsten lässt sich das so beschreiben: Der Tischler versteht etwas von Holz und der Maschinenbauer kennt sich mit der Dynamik von Stahl aus. Wir führen beide Branchen zusammen“, erklärt Ligenium-Geschäftsführer Christoph Alt (39). Er und seine drei Mitgründer haben zuvor ein Jahrzehnt an der TU Chemnitz (TUC) geforscht und eine Dimensionierungsgrundlage, also die Festlegung von bestimmten Maßen, für die Berechnung von Holzkonstruktionen entwickelt.


„Normalerweise hört kein Maschinenbauer etwas von Holz. Wir sind diesbezüglich in Chemnitz Pioniere.“

Christoph Alt, Mitgründer von Ligenium


Den ersten Nachweis, dass das Konzept nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis funktioniert (Proof of Concept) erbrachten die Gründer noch während ihrer Tätigkeit an der Universität. Für Volkswagen in Wolfsburg bauten sie eine sogenannte Skid-Fördertechnik auf. Damit werden Karosserien auf einer 250 Meter langen Holz-Rollenbahn innerhalb der Fabrik hin und her transportiert.

Weil die Industriepartner, mit denen die Wissenschaftler im Laufe der Jahre zusammengearbeiteten, das Know-How nicht selbst in die Praxis überführten, entschloss sich Christoph Alt zusammen mit seinen Kollegen Sven Eichhorn (43), Ronny Eckardt (41) und Angela Grimmer (40) 2018 zur Gründung von Ligenium. „Wir wussten, dass es dafür ein Geschäftsmodell gibt und wollten nicht, dass unsere Forschung in der Schublade verschwindet“, sagt Christoph Alt. 

Im Bild sind acht Transportwagen des Modells „ligShuttle“ zu sehen. Sie werden für den innerbetrieblichen Transport in der Automobilindustrie verwendet. Foto: PR/Ligenium

Zusammenarbeit mit Automobilherstellern

Mittlerweile ist das Startup bestens im Geschäft und arbeitet mit vielen großen Automobilherstellern zusammen. Seit der Gründung ist ein umfangreiches Landungsträgerportfolio entstanden. Während die Ladungsträger dabei in der Regel halb so schwer sind wie Modelle aus Stahl, zeigte das Ligenium-Team in Sachsen, dass noch mehr möglich ist. „Bei einer Sitzpalette, mit der die Sitze für den ID.3 von Zwickau nach Dresden geschafft werden, konnten wir das Gewicht sogar von zuvor 140 auf 44 Kilogramm verringern.“ Pro 100 Kilometer Fahrstrecke und einer Tonne weniger Leergewicht (Gewicht ohne Ladung) lasse sich so beim Lkw-Transport von Standort zu Standort ein halber Liter Diesel und damit rund ein Kilogramm CO2 einsparen, erklärt der Gründer.

Neben der Gewichtsreduktion trägt Ligenium bereits dadurch zur CO2-Verringerung bei, indem es auf Holzprodukte setzt. Diese wirken als Kohlenstoffspeicher und lagern in industrieller Nutzung das klimawirksame Gas deutlich länger ein als beispielsweise im Wald verottendende Biomasse. In Zukunft ist nach Angaben des Unternehmens zudem geplant, ausgediente Ladundsträger zu upcyclen, also zu neuen Produkten umzuarbeiten.

Elektromobilität als Chance

Gegenwärtig bieten sich die Holzkonstruktionen nicht nur aus ökologischer Sicht an.  Vorteile ergeben sich auch beim Thema Elektromobilität.


„Bei der Elektromobilität zeichnet sich ab, dass die Modellwechsel häufiger sein werden als gegenwärtig. Da wir in der Lage sind, flexibel auf neue Bauteile zu reagieren, können wir davon profitieren.“

Christoph Alt, Mitgründer von Ligenium


Ähnlich wie bei einem Legobaukasten lasse sich der Ladungsträger je nach Anforderung ganz unkompliziert und schnell neu zusammenbauen, so Alt. 

Auf dieser Draufsicht sind gut die verschiedenenen Module des „ligShuttle“ zu erkennen. Foto: Eric Fresia für Ligenium

5G-Funkwellen werden nicht gedämpft

Obwohl es sich bei den Ladungsträgern um Holz handelt, muss sich trotzdem niemand Sorgen wegen des Brandschutzes machen. Zum einen gebe es die Möglichkeit schwer entflammbare Werkstoffe einzusetzen, zum anderen sei die Holzstruktur grundsätzlich recht robust. „Stahl brennt zwar nicht, aber verliert, wie zum Beispiel beim World Trade Center zu sehen war, ab einer bestimmten Temperatur seine Struktur. Brennt hingegen ein Fachwerkhaus, bildet sich um den Balken eine Verkokungsschicht, aber solange er nicht so stark abbrennt, dass er bricht, bleibt die Struktur intakt, entkräftet Christoph Alt ein gängiges Vorurteil und verweist gleichzeitig auf einen weiteren Vorzug von Holz: „In den vollautomatischen Fabriken wäre es problematisch, wenn die 5G-Funkwellen gestört werden. Mit Holz ist das kein Problem, weil es die Funksignale nicht dämpft.“

Gestiegener Holzpreis derzeit kein Problem

Die Zeichen stehen somit weiter auf Wachstum. Ändern kann daran auch der rasant gestiegene Holzpreis nichts. „Teuer geworden ist vor allem das auf dem Bau verwendete Nadelholz. Wir benötigen eher Holzwerkstoffe aus Laubhölzern wie beispielsweise Birke oder Buche.“ In diesem Segment habe sich der Holzpreis nicht verdoppelt. Einen Anstieg von 30 bis 50 Prozent habe es aber auch hier gegeben. „Wir haben deshalb vorgesorgt und ausreichend eingedeckt“, verrät Christoph Alt. Gemeinsam mit seinen Kollegen hat er sich für die nächsten Jahre große Ziele gesetzt: „Wir möchten unser System als neuen Logistikstandard etablieren, ganz gleich, ob es sich um den Transport von Autoteilen oder eines Kühlschranks handelt.“ 

Stephan Hönigschmid

Ligenium – kurz und knapp 

Ligenium wurde 2018 als Ausgründung der Professur Fördertechnik gegründet. Der Name setzt sich aus dem lateinischen Wort für Holz, „Lignum“ und dem Wort für Begabung, geistreiche Erfindung, „Ingenium“, zusammen. 

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