Dieses Leipziger Startup digitalisiert die Pflege
Mit der Wundera-App können Pflegekräfte chronische Wunden einfacher dokumentieren. Datenschutz wird dabei groß geschrieben.
Leipzig. Schwester Agnes – vielen im Osten sind die Geschichten der aufopferungsvollen Gemeindeschwester ein Begriff. Mit ihrem Moped fuhr sie in dem populären Film von Dorf zu Dorf und versorgte ihre Patienten. Würde der Film in der Gegenwart spielen, bräuchte Agnes statt eines Mopeds ein Motorrad. Anders wäre es zeitlich kaum noch zu schaffen. Grund dafür ist jedoch nicht, dass die Betreuung der Kranken sehr viel länger dauern würde, sondern dass die Bürokratie, die sogenannten Dokumentationspflichten, deutlich gewachsen sind.
Wundvermessung mit dem Handy
Einen Ausweg aus dieser Misere möchte jetzt das Leipziger Startup Sciendis bieten. Mit seiner Wundera-App sollen die Pflegekräfte bei ihrer täglichen Arbeit entlastet werden. „Chronische Wunden wie zum Beispiel Dekubitus (Druckgeschwür durch Wundliegen, Anm.d.Red.) müssen regelmäßig dokumentiert werden. Derzeit ist das hochkomplex und wird mit Papier, Stift und Fotoapparat erledigt. Wir haben diesen Prozess in unsere App übertragen und vereinfacht“, erklärt Sciendis-Mitgründer Michael Aleithe (34). So könne das Foto der Wunde mit dem Handy aufgenommen werden. Dabei finde gleich eine automatische Wundvermessung statt. Darüber hinaus könnten Angaben zur Wunddokumentation per Sprachsteuerung hinzugefügt werden. Dazu zählten unter anderem die Schmerzstärke oder der Wundgeruch, sagt Aleithe.
App funktioniert auch ohne Internet
Funktionieren soll das selbst in ländlichen Regionen mit schlechter oder gar keiner Internetverbindung. Die App sei auch Offline voll funktionsfähig. Sobald wieder eine Verbindung bestehe, synchronisiere man die Daten mit dem Server, teilte das Unternehmen mit. Neben dem Pflegedienst können die Daten auch mit den behandelnden Ärzten sowie der Krankenkasse geteilt werden, wenn der Patient zustimmt. Dafür hat das Startup Schnittstellen vorgesehen, die die Anbindung an bestehende Dokumentationssysteme ermöglichen. Die Sicherheit der Daten hat für die Sciendis GmbH dabei höchste Priorität: „Wir achten darauf, dass die Daten nur auf deutschen Servern gespeichert werden und alles auf Grundlage der Datenschutzgrundverordnung abläuft“, verspricht Michael Aleithe.
App-Entwicklung mit Pflegekräften
Obwohl er und sein Kompagnon Philipp Skowron (30) beide promovierte Wirtschaftsinformatiker sind, haben sie darauf geachtet, dass bei der Entwicklung der App kein Produkt aus dem akademischen Elfenbeinturm herauskommt. „Wir haben die App zusammen mit Pflegekräften entwickelt. Immer wieder haben wir nachjustiert und gefragt: Was ist Euch wichtig?“, beschreibt Michael Aleithe den Prozess.
Einnahmen durch Lizenzmodell
Zu Geld macht die Sciendis GmbH ihren Service mit einem Lizenzmodell. Das kann monatlich, halbjährlich oder jährlich abgeschlossen werden. Die Zahl der aktiven Kunde liege derzeit im hohen zweistelligen Bereich. Zudem gebe es zahlreiche Anfragen von Interessenten, hieß es. Nachdem das Startup 2020 eine Finanzierungsrunde im sechsstelligen Bereich abschließen und dadurch die App herausbringen konnte, beteiligte sich im Mai der Technologiegründerfonds Sachsen mit einem siebenstelligen Betrag. Damit soll unter anderem der Vertrieb weiter ausgebaut werden.
Wohin er mit seiner Firma will, hat Gründer Michael Aleithe genau vor Augen: „Wir wollen Marktführer für einfache digitale Produkte in der Pflege werden.“
Stephan Hönigschmid
Siebenstellige Finanzierung für Leipziger Pflege-App