„Startups sollten Impulsgeber der Industrie 4.0 werden“ 

Florian Hönigschmid verbrachte als IT-Manager knapp drei Jahre lang im Silicon Valley. In einem Founderella-Gastbeitrag erklärt der aus Nordsachsen stammende Digitalexperte, was in den USA bei der Digitalisierung besser läuft und was Deutschland davon lernen kann.  

Florian Hönigschmid beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der Digitalisierung von Industrieunternehmen. Foto: privat

Florian Hönigschmid beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der Digitalisierung von Industrieunternehmen. Foto: privat

Wer ins Silicon Valley reist, ist zunächst erst einmal enttäuscht. Alles ist recht unspektakulär. Von außen ist nicht zu erkennen, dass sich hier das High-Tech-Labor der Welt befindet. Was man stattdessen sieht, ist eine riesengroße Eigenheimsiedlung mit einer Autobahn dazwischen. Wichtiger als das, was man mit bloßem Auge wahrnehmen kann, ist jedoch das, was zunächst unsichtbar ist – die Silicon-Valley-Kultur. Der berühmte Ort lebt vor allem von seinem Ökosystem – vom Austausch der Menschen untereinander und von dem Willen, neue Dinge einfach mal auszuprobieren.   

Mittelständlern fehlt strategischer Blick  

Um den Unterschied klar zu machen, will ich die Situation in Deutschland vergleichend gegenüberstellen. Obwohl sich auch hierzulande in den vergangenen Jahren in puncto Digitalisierung einiges getan hat, will noch nicht jeder die Entwicklung wahrhaben. Auf Messen habe ich mich häufig mit Mittelständlern unterhalten, die ein gutes Produkt hatten, aber der Meinung waren, dass Digitalisierung ein Buzzword – eine Modeeerscheinung sei. Es hieß dann immer: „Wir verkaufen nach wie vor.“ Der strategische Blick fehlt in diesen Fällen. Schließlich kann die Welt in fünf Jahren eine ganz andere sein.  

Florian Hönigschmid während eines Ausflugs in der Nähe der Golden Gate Bride in San Francisco. Foto: privat

Florian Hönigschmid während eines Ausflugs in der Nähe der Golden Gate Bridge in San Francisco. Foto: privat

Schuh drückt noch nicht genügend 

Hinzu kommt, dass manche zwar beispielsweise ihre Maschine an einen Kunden verkaufen, dann aber 20 Jahre nichts mehr. Das spricht zwar für die Leistung der Ingenieure, ist aber schlecht fürs Geschäft. Mit Dingen wie einer Wartungs- oder Auslastungs-App ließe sich regelmäßig zusätzliches Geld verdienen. Und vor allem wäre es eine Win-win-Situation, weil natürlich die Firma, die die Maschine einsetzt, durch die Daten der Apps beispielsweise Energie und CO2 sparen könnte. Selbst wenn es nicht jeder zugibt, wissen viele Unternehmerinnen und Unternehmer in Wirklichkeit auch, was die Stunde geschlagen hat. Weil sie jedoch erst investieren müssen und nicht sofort Geld verdienen, scheuen sie den Schritt. Am Ende scheint der Schuh noch nicht genügend zu drücken. 

Startups auf Augenhöhe mit großen Firmen  

Vollkommen anders ist die Lage im Silicon Valley. Sowohl Mittelständler als auch große Konzerne sind diesbezüglich aufgeschlossen. Wenn junge Startups mit neuen Ideen ankommen, sehen sie diese Firmen auf Augenhöhe. Es ist auch viel leichter, mit Entscheidern ins Gespräch zu kommen als in Deutschland. Das sind zudem keine Konversationen, wo jemand in Ehrfurcht erstarrt, sondern eher „casual“ – also Gespräche in lockerer, entspannter Atmosphäre. Und nicht selten heißt es dann am Ende: Klar, das testen wir bei uns.  

Technik einfach und intuitiv denken 

Neben dem Mut und der Bereitschaft neue Wege zu gehen, gibt es noch einen weiteren Punkt, in dem sich Deutschland und die USA fundamental unterscheiden: die Übersetzungsleistung. Eine tolle Technologie, zum Beispiel im Bereich des Internets der Dinge, nützt niemandem etwas, wenn sie nur von bestimmten Ingenieuren bedient werden kann. Dieses Phänomen der Technik von Ingenieuren für Ingenieure haben wir in Deutschland häufiger. Nicht wenige sind auf dieses Herrschaftswissen stolz.  

Rückwärts durchs Labyrinth 

In den USA hingegen wählt man bereits bei der Entwicklung der Technik einen anderen Ansatz und spricht davon, „rückwärts durch das Labyrinth“ zu laufen. Konkret bedeutet dies, dass das Problem im Mittelpunkt steht und davon ausgehend die entsprechende Technik entwickelt wird. Es geht darum, dass sie möglichst intuitiv und somit benutzerfreundlich ist, damit das Produkt für einen großen Kreis an Menschen zugänglich ist.  

Chance der Industrie 4.0 ergreifen 

Trotz dieser  Defizite gibt es jedoch auch eine gute Nachricht: Noch ist es nicht zu spät. So hat Deutschland zwar die erste Welle der Digitalisierung verpasst – mit Google oder Facebook können wir es in deren Bereich kaum noch aufnehmen. Anders ist das aber im Business-to-Business-Bereich bei der Digitalisierung der Industrie. Dort ist der Zug noch nicht abgefahren. Diese Chance können und sollten wir mit der in Deutschland vorhandenen enormen Industriekompetenz ergreifen.

Startups sollten dabei als Antreiber und Impulsgeber eine maßgebliche Rolle spielen. Allerdings klappt das nur, wenn sie nicht nur in Sonntagsreden gelobt und als „nice to have“ angesehen werden, sondern wenn sie maßgeblich mit ins Boot geholt werden. Sowohl der Mittelstand, als auch große Konzerne, werden davon profitieren.   

Zur Person: 

Florian Hönigschmid ist als Vice President Sales & Strategy bei der azeti GmbH tätig. Von 2016 bis 2018 arbeitete er im Silicon Valley in den USA und stand dabei in Kontakt mit Cisco, Intel und Samsung. 

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Stephan Hönigschmid – Gründer von Founderella

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