Diese Gründer wollen, dass Schüler wieder Spaß am Lernen haben
Das Dresdner Startup ChemTics heißt jetzt SupraTix und öffnet seine Lernplattform für alle MINT-Fächer. Ziel bleibt es, naturwissenschaftliche Inhalte anschaulich und verständlich aufzubereiten.
Founderella: Herr Göcke, seit Kurzem heißt Ihre Firma nicht mehr ChemTics, sondern SupraTix. Was hat es damit auf sich?
Tobias Göcke: In Gesprächen mit Schulen haben wir gemerkt, dass Lehrer und Lehrerinnen konkret den MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) nachgefragt haben und somit die Konzentration auf die Chemie nicht ausreicht. Deshalb erweiterten wir unsere Chemieplattform anlässlich unserer Unternehmensgründung am 4. April in eine MINT-Lernplattform.
Wofür steht eigentlich SupraTix genau?
Supra heißt soviel wie „über“ und verkörpert den universellen Anspruch unserer Lernplattform für die Naturwissenschaften. Das „T“ stammt von meinem Vornamen Tobias und die Endung „ix“, die es ja auch bei Asterix und Obelix gibt, steht für uns als kleines gallisches Dorf, das den Markt der mächtigen Schulbuchverlage revolutionieren möchte.
Was hat sich in Ihrer täglichen Arbeit geändert, jetzt, wo sie kein Gründungsprojekt an der TU Dresden mehr sind, sondern eine GmbH?
Im Zuge unserer Gründung mussten wir aus unseren Räumen an der Technischen Universität Dresden ausziehen und in unser erstes eigenes Büro nicht nur einziehen, sondern auch alles eigenständig zum Laufen bringen. Das heißt, wir können uns nun freier entfalten und zum Beispiel die IT-Struktur so implementieren, wie wir es brauchen.
Aber einher geht damit auch, dass die Aufgaben, die nach der Gründung auf uns warteten, schlagartig mehr wurden. Zusammengefasst haben sich hauptsächlich die Rahmenbedingungen verändert. Wir können ab sofort Verträge abschließen und müssen uns selbst um die IT-Infrastruktur sowie um alle rechtlichen und steuerlichen Fragen kümmern.
Kommen wir zum Produkt. Wie sieht das aktuell aus?
Die Lernplattform besteht aus den vier Bereichen „Lernbereich“, „Labor“ und „Factory“ sowie „Teaching“. Der „Lernbereich“ bietet fachdidaktische und multimediale Inhalte wie interaktive Grafiken an. Auf „Factory“ können Lehrer, Verlage und Anbieter von MINT-Bildungsmedien Inhalte einstellen.
Dabei kann es sich sowohl um kostenpflichtig lizenzierte als auch um freie Inhalte handeln, die analog zu GitHub von der Gemeinschaft auf dem neuesten Stand gehalten werden. „Teaching“ wiederum ist der Bereich, mit dem zum Beispiel Lehrer ihren Unterricht planen und mit dem sie Hausaufgaben an die Schüler verteilen können.
Gibt es dort auch die virtuellen Chemieexperimente und das intuitive Lernsystem, das Wissenslücken genau erkennt, für das ChemTics einst stand?
Auf jeden Fall. All die früheren Komponenten sind Teil der neuen MINT-Plattform. Durch die thematische Erweiterung haben und werden wir auch die Funktion des virtuellen Experimentierens erweitern. Zum Beispiel wird es im Physik-Bereich der Lernplattform möglich sein, das eigene Modell einer Planetenflugbahn zu simulieren und zu visualisieren.
Da wir uns bisher vor allem auf die Chemie konzentriert haben, fangen wir mit diesem Fach an und fügen schrittweise weitere Fächer hinzu. Weil wir nicht alles selbst erstellen können, kaufen wir zu diesem Zweck Inhalte ein. Die Intelligenz der Plattform, die Wissenslücke und die automatisierte Anpassung der Plattform an den Lerner sind für alle Bereiche anwendbar und wurden auch noch weiter optimiert.
Wie wollen Sie am Ende damit Geld verdienen?
Zuerst möchte ich herausstellen, dass die Nutzung unserer Lernplattform mit den offenen Lernmedien kostenfrei ist.
Zum einen verkaufen wir Abo-Lizenzen für die Plattform an Schulen, um Wissen lebendig und anschaulich zu vermitteln. Und zum anderen können Privatpersonen genauso Abo-Lizenzen erwerben. Außerdem verdienen wir neben den eigenen Inhalten auch am Verkauf beziehungsweise der Bereitstellung der kommerziellen Inhalte, die von anderen Anbietern zugeliefert werden.
Für Privatkunden schnüren wir Pakete, die entweder nur „Lernen“ oder nur „Experimentieren“ oder beides beinhalten. Neben den Abo-Lizenzen werden die Simulationen in Paketen mit fester Stückzahl verkauft.
Sie haben ja sicherlich Marktforschung betrieben. Welches Potenzial gibt es überhaupt im Bildungsbereich für Ihre Idee?
Studien besagen, dass Eltern bereit sind, pro Monat einen dreistelligen Betrag für die Nachhilfe ihrer Kinder auszugeben. Zudem sind die öffentlichen Ausgaben für Bildung die zweithöchsten in Deutschland. Allerdings haben manche Schulen sich gerade erst neue Lehrbücher angeschafft und werden diese auch eine Weile benutzen.
Von daher ist es nicht so leicht, in den Markt hineinzukommen. Wir sind aber bereits mit unseren Zielgruppen in Kontakt, so gibt es zum Beispiel drei Schulklassen aus Dresdner Schulen, die die aktuelle MINT Lernplattform schon genutzt haben.
Zum Abschluss würde mich noch interessieren, was aus dem praktischen Reaktionsmodul geworden ist, mit dem man reale chemische Reaktionen ausprobieren kann? Außerdem war doch auch eine Anwendung ihres Simulationsmodells für die Industrie im Gespräch.
Der erste Prototyp des Reaktionsmoduls für eine Online-Titration haben wir im November letzten Jahres fertigstellen können. Für den Industrie-Bereich bestehen Kontakte und die Patentanmeldung wird bis Ende des Jahre abgeschlossen sein. Aber grundsätzlich mussten wir jetzt erst einmal Prioritäten setzen. Von daher möchte ich noch keine offiziellen Release-Termine nennen.
Herr Göcke, vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Stephan Hönigschmid