„Wir sind Exoten und Pioniere“ – Chemnitzer Startup Staffbase expandiert in die USA
Im Founderella-Interview erzählt CEO Martin Böhringer, warum es in Unternehmen eine Kommunikationslücke gibt und wie er und sein Team mit ihrer Mitarbeiter-App in kürzester Zeit durchgestartet sind.
Founderella: Mit ihrer App Staffbase machen Sie das Intranet einer Firma auch für Mitarbeiter zugänglich, die bisher von zu Hause oder von unterwegs aus gearbeitet haben. Wie sind sie auf die Idee für die Entwicklung dieser Anwendung gekommen?
Martin Böhringer: Unser Mitgründer Frank Wolf hat über Jahre Unternehmen in Sachen Intranet-Entwicklung beraten. Im Zuge der Digitalisierung wurde dabei immer offensichtlicher, dass es eine Kommunikationslücke gibt: Mit einem Intranet erreicht man lediglich die Leute, die an einem klassischen PC-Arbeitsplatz sitzen – nicht jedoch die Kollegen in Produktion, Logistik oder im Verkauf. Mit der wachsenden Smartphone-Durchdringung war eine App als Lösung dieses Problems naheliegend.
Warum ist es wichtig, dass Mitarbeiter diesen Zugriff haben? Reicht es nicht aus, wenn sie per Mail, Messenger oder Telefon kommunizieren?
Die Zielgruppe einer Mitarbeiter-App haben typischerweise keine Firmen-E-Mail, Messenger oder Firmen-Telefon. Das betrifft mehr als die Hälfte der Mitarbeiter, in vielen Unternehmen sogar deutlich mehr. Diesen Mitarbeitern geht es auch nicht um Kommunikation im Sinne von kurzen Nachrichten. Wichtig für sie ist der Zugriff auf Basisinformationen wie Unternehmensnachrichten, Ansprechpartner, Notfallpläne, Kantinenspeiseplan oder Formulare.
Was hat sich an der App seit dem Start im November 2015 verändert, welche Weiterentwicklung gab es?
Nachdem wir mehr und mehr internationale Kunden gewinnen konnten, war es an der Zeit für ein Renaming: aus Eyo EmployeeApp ist kurz und knackig Staffbase geworden. Die Anwendung selbst befindet sich in der permanenten Weiterentwicklung. Der Input dafür kommt von uns, doch lernen wir auch immens viel über die konkreten Bedürfnisse unserer Kunden.
Was können Sie besser als Ihr Mitbewerber Slack?
Der Vergleich mit Slack ist Unsinn. Slack ist in erster Linie ein Messenger-Dienst, vergleichbar beispielsweise mit Hipchat. Staffbase hat seine Stärken jedoch in ganz anderen Bereichen. Kunden kommen nicht zu uns, weil sie auf der Suche nach einer unternehmensinternen Alternative zu WhatsApp sind, sondern weil sie ihre gedruckte Mitarbeiterzeitung, den Wandaushang und die Papierformulare ablösen wollen.
Haben Sie schnell die ersten Kunden gefunden oder mussten Sie am Anfang jede Menge Klinken putzen?
Als Startup hat man zu Beginn in der Regel zwei Möglichkeiten: entweder man hat eine Geschäftsidee und bereits einen Kunden, der am entstehenden Produkt interessiert ist und investiert. Oder man hat eine Idee, deren Kundenpotenzial so hoch ist, dass ein Investor bereit ist, Risikokapital zu investieren, obwohl noch kein einziger Verkauf passiert ist.
Wir haben bei Staffbase den zweiten Weg gewählt, die Idee in unseren persönlichen Netzwerken ins Gespräch gebracht und positives Feedback bekommen. Zu unseren ersten Kunden zählten Siemens und T-Systems MMS. Klinken putzen mussten wir also in diesem Sinne nicht.
Wie sieht Ihr Geschäftsmodell konkret aus? Zahlen die Firmen für die Benutzung eine Lizenzgebühr?
Das Geschäftsmodell heißt Software-as-a-Service (SaaS). Wir stellen unseren Kunden Staffbase als Plattform zur Gestaltung ihrer individuellen Mitarbeiter-App zur Verfügung und übernehmen darüber hinaus den kompletten technischen Support. Das heißt App Store-Management und Updates laufen über uns, der Kunde hat zu jedem Zeitpunkt ein funktionierendes Produkt. Dafür verlangen wir monatlich eine Nutzungsgebühr auf Basis eines jährlichen Vertrags.
Gibt es eine bestimmte Zielgruppe oder sprechen Sie grundsätzlich alle Firmen an?
Wir richten uns primär an mittlere und große Unternehmen ab 300 Mitarbeitern. Weil Staffbase aber eine Standardlösung und somit innerhalb weniger Wochen startklar ist, sind wir auch für viele kleinere Unternehmen eine interessante Alternative zur Entwicklung einer individuellen Lösung, die meist sehr langwierig und kostenintensiv ist. Unsere Kunden erreichen mit Staffbase zwischen 10 bis 400.000 Mitarbeiter – es ist also für jeden etwas dabei.
Von Capnamic Ventures und Kizoo Technology Ventures haben sie kürzlich eine Finanzierung von zwei Millionen Euro erhalten, mit der sie in die USA expandieren wollen. War das schon lange geplant oder hat das Wachstumskapital den Ausschlag gegeben?
Wir haben schon einige Kunden auf dem US-Markt, und sind überzeugt davon, dass unsere Präsenz vor Ort uns dort ganz neue Möglichkeiten bietet. Außerdem ist der Aufbau eines zweiten Standorts auch in Support-Angelegenheiten wichtig: Dank der anderen Zeitzone können wir unsere internationalen Kunden rund um die Uhr besser betreuen. Das Investment hilft natürlich enorm bei einem solchen Expansionsschritt.
Warum geht es gerade in die USA und nicht zum Beispiel nach Asien? Welche Ziele haben sie sich in dem riesigen Markt gesteckt?
Die USA ist der führende Software-Markt der Welt. Wer globaler Marktführer in einer Kategorie sein möchte, muss in den USA sichtbar sein. Mitarbeiter-Apps entstehen gerade als neue Software-Kategorie und wir möchten unseren Vorsprung nutzen, um nicht nur in unserem deutschen Heimatmarkt, sondern international eine Führungsrolle in diesem neuen Marktsegment zu erobern.
Zum Abschluss würde mich noch interessieren, wie Sie den Gründerstandort Chemnitz einschätzen?
Chemnitz wird als Gründerstandort mit Sicherheit noch nicht wirklich wahrgenommen. Startups, die Venture-Capital erhalten, kommen im Normalfall aus Berlin, Hamburg oder München. Wir sind also gewissermaßen gleichzeitig Exoten und Pioniere. Dass Chemnitz für potenzielle Gründer dennoch nicht unattraktiv ist, zeigen auch die Erfolgsgeschichten von Prudsys, Intenta oder Baselabs.
Welche Vorzüge bietet er? Was kann noch besser werden?
Die Mieten und Lebenshaltungskosten sind nach wie vor niedrig gemessen am Bundesvergleich. Für uns sind es vor allem persönliche Gründe, die uns in Chemnitz halten, seien es Freunde, Lebenspartner oder die Familie.
Wir werden auch in Zukunft wachsen und brauchen dafür hochqualifizierten Nachwuchs – Staffbase soll für junge IT-Absolventen auch Anreiz sein, den während des Studiums häufig aufkommenden Gedanken, die Stadt aus Berufsgründen später sowieso verlassen zu müssen, hinter sich zu lassen. Chemnitz ist weder zum Leben noch zum Gründen ein schlechter Ort. Die Verkehranbindung ist jedoch eine Katastrophe.
Interview: Stephan Hönigschmid
Aufmacherbild: Dirk Hanus