Sachsen hat kein Imageproblem, sondern ein Entdeckungsproblem
Ministerpräsident Tillich tauschte sich in Dresden mit der Gründerszene des Freistaates aus. Beim Bürokratieabbau zeigte er sich aufgeschlossen.
Dresden. „Das sind keine Lippenbekenntnisse. Das Thema liegt mir wirklich am Herzen“, versicherte Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) am Donnerstag den 150 anwesenden Teilnehmern beim Get-started-Gründerfrühstück des Branchenverbandes bitkom im Dresdner Impact Hub. Vorausgegangen war die Frage, wie ernst er es mit dem Bekenntnis zur Startup-Szene meine angesichts der Tatsache, dass es in der CDU-Landtagsfraktion zwar einen weinpolitischen, aber keinen Startup-Sprecher gibt.
Die Gründer schienen ihm das abzunehmen und waren sichtlich erfreut, dass sich der Landesvater für ihre Anliegen interessiert. Als Hauptprobleme kristallisierten sich dabei im prall gefüllten Coworking Space unweit des Dresdner Hauptbahnhofes die Themen: Sichtbarkeit, Finanzierung, Bürokratie und Fachkräfte heraus.
So berichtete Tillich, wie entscheidend es gewesen sei, dass vor einigen Jahren die südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye ihre Rede über eine mögliche Wiedervereinigung mit Nordkorea gerade in Dresden gehalten hat. „Dresden ist dadurch für viele Koreaner erst ins Bewusstsein gerückt, was für die Wirtschaftsbeziehungen sehr wichtig ist. Am Ende zeigt dies, dass wir in Sachsen kein Imageproblem haben, sondern ein Entdeckungsproblem.“ Auch geplante Einrichtungen wie der Smart Systems Hub an der TU Dresden sollen zu dieser internationalen Sichtbarkeit beitragen, so Tillich.
Leipzig wird in Westdeutschland unterschätzt
Justus Nagel vom Leipziger Startup Sensape konnte eine ähnliche Geschichte erzählen, allerdings spielte diese innerhalb von Deutschland. „Weil das Thema Kundengewinnung in der Region schwierig ist, sind wir oft in Westdeutschland unterwegs, wo sich die großen Firmenzentralen der Handelshäuser befinden. Wenn wir dort sagen, dass wir aus Leipzig kommen, erhalten wir von manchen erstmal einen verwunderten Blick und Aussagen wie: Na gut, dort kann es ja auch sowas geben“, sagte Nagel, der mit Sensape unter anderem virtuelle Schaufenster für den Handel anbietet, die auf Grundlage künstlicher Intelligenz mit den Kunden interagieren.
Einen Dreisatz für den Erfolg des Gründerstandortes Sachsen präsentierte Carsten Bether von der 2011 gestarteten Firma Kiwigrid aus Dresden, die eine Plattform zum Energiemangement anbietet und mittlerweile 150 Mitarbeiter beschäftigt.
„Wir müssen zum dafür sorgen, dass der Begriff Startup an den Unis positiver belegt wird. Heute denken viele an eine hohe Fluktuation der Mitarbeiter und große Unsicherheit, wenn sie davon hören.“ Sicherheit sei jedoch oft gar nicht der erste Beweggrund für Absolventen, weil viel gern etwas ausprobieren möchten. „Wir sollten ihnen sagen, dass es genauso interessant ist bei einem Startup zu arbeiten wie bei Infineon“, so Bether, der des Weiteren für eine bessere Vernetzung in der Industrie plädierte und einforderte, dass große Unternehmen Startups ernster nehmen sollten. „Wenn man in einer frühen Phase auf die Technologie von großen Unternehmen zugreifen und in der Folge zusammenarbeiten kann, dann profitieren beide und das Geld kommt von ganz allein“, sagte der Dresdner Gründer.
Förderprogramme müssen einfacher werden
Dass es neben dem Geld von Investoren auch bei der öffentlichen Förderung von Startups noch Verbesserungsbedarf gibt, räumte Stanislaw Tillich ein. „Ich habe mitbekommen, dass Bundesprogramme oft unkomplizierter sind als Landesprogramme. Das müssen wir abstellen.“ Darüber hinaus habe er mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) über bestehende analoge Förderprogramme geredet und neue Instrumente angeregt, so Tillich, der davon erzählte, dass er sich Anfang der 1990er Jahre ebenfalls selbstständig gemacht, aber dann 1995 doch für die Politik entschieden habe.
Mit Blick auf den Vergleich der Förderung von Startups durch Banken oder Investoren sagte er: „Die Sächsische Aufbaubank ist schon relativ modern, aber eine Bank kann nicht alles wissen.“ Anders sei dies bei Investoren, die über ein großes Netzwerk verfügten, so Tillich.
Tillich kritisiert Lufthansa
Nach der Diskussion auf dem Podium hatten auch die Besucher noch Gelegenheit, Fragen zu stellen. Als Knackpunkt stellte sich unter anderem die schlechte Dresdner Infrastruktur in Form von Bahn- und Flugverbindungen heraus. „Gemeinsam mit Global Foundries hatten wir bereits erreicht, dass Etihad eine gute Flugverbindung von Dresden nach Zürich einrichtet. Kurze Zeit später hat die Lufthansa jedoch den gleichen Flug angeboten, so dass die Etihad-Verbindung wieder eingestellt wurde.“ Nach Meinung Tillichs soll das Unternehmen in diesem Fall seine vorherrschende Stellung genutzt haben, um den Wettbewerber zu verdrängen, was der Ministerpräsident bedauerte.
Stephan Hönigschmid