Gründerland in Gefahr
Beim Bitkom-Gründerfrühstück in Dresden reden sächsische Gründer Tacheles. Sie haben Angst, dass der Freistaat den Anschluss verliert.
Dresden. Zum dritten Mal fand kürzlich das Gründerfrühstück des Digitalverbandes Bitkom in Sachsen statt. Veranstaltungsort war diesmal die Staatskanzlei in Dresden. Obwohl derartige Termine in der Regel wenig kontrovers sind, redete Ministerpräsident Michael Kretschmer (43, CDU) nicht lange um den heißen Brei herum. Mit Blick auf den Lehrer- und Polizistenmangel sagte er: „Wir haben Fehler gemacht. Diesen Fehler wollen wir bei der Digitalisierung vermeiden. Wir brauchen Personal in der Verwaltung, das sich damit auskennt und die Digitalisierung vorantreibt.“ Aus diesem Grund habe man das Amt des Chief Information Officers geschaffen, so Kretschmer. Amtsinhaber ist seit August der Volljurist Thomas Popp (56), der den Freistaat auch im IT-Planungsrat von Bund und Ländern vertritt.
Zu wenig Bewegung beim Smart Systems Hub
Dass es höchste Zeit wurde, dass die Politik das Thema weit oben auf die Prioritätenliste gesetzt hat, verdeutlichte die Diskussion auf dem Gründerfrühstück. Denn obwohl die Atmosphäre freundschaftlich-harmonisch war, wurde Klartext gesprochen. So sagte beispielsweise Christian Piechnick (32) vom Dresdner Startup Wandelbots: „Ich bin einer der geistigen Väter des Smart Systems Hub in Dresden. Allerdings war ich etwas erschrocken, als es in diesem Jahr zum Silicon Saxony Day als Erfolg galt, dass jetzt die GmbH gegründet wurde. In den vergangenen zwei Jahren ist nicht viel passiert“, kritisierte der Unternehmer.
Beim Smart Systems Hub handelt es sich um ein Netzwerk, das Wirtschaft und Wissenschaft besser zusammenbringen will, damit aus Forschungsideen Geschäftsmodelle entstehen. In Dresden liegt der Schwerpunkt vor dem Hintergrund der ansässigen Halbleiterindustrie auf dem Thema Industrie 4.0, während in Leipzig ein Kompetenzzentrum für Energiewirtschaft und Smart Cities entstehen soll. Die Hub-Initiative wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.
Sachsen denkt zu klein
Trotz dieser Vorhaben sagte Piechnick: „Sachsen denkt zu klein. Viele geben sich zu schnell mit dem Erreichten zufrieden, anstatt große Ziele anzustreben.“ Außerdem fehle die Sichtbarkeit. „Startups brauchen auch einen öffentlichen Raum, wo sie sich präsentieren können. Die Halle 9 des Kraftwerks Mitte in Dresden ist dafür schon länger im Gespräch, aber bisher ist die Freigabe des Geländes gescheitert“, sagte Piechnik, der zudem andeutete, dass es nicht so einfach gewesen sei, seine Firma Wandelbots in Dresden zu halten.
Firma wäre beinahe aus Dresden weg gewesen
„Wir mussten bei unseren Investoren dafür kämpfen, indem wir auf die ausgezeichnete Forschungslandschaft und den dank der Universität guten Zugang zu Talenten verwiesen haben.“ Dies reiche jedoch auf Dauer nicht aus. Vielmehr müsse man ein funktionierendes Startup-Ökosystem schaffen, sagte Piechnick, der mit Wandelbots ein Verfahren entwickelt hat, mit dem Industrie-Roboter ohne Programmierkenntnisse programmiert werden können, indem man ihnen bestimmte Tätigkeiten zeigt.
Schlechterer Zugang zu Risikokapital als Standortnachteil
Dass das zarte Pflänzchen der sächsischen Gründerszene von vielen Seiten bedroht ist, wurde auch an den Aussagen von Kristin Preßler vom Leipziger Startup Rhebo deutlich. „Wir haben zwar Investoren. Trotzdem ist es nicht so leicht. Wir kämpfen um jeden Euro, während unsere Wettbewerber in den USA oder in Israel leichter an Risikokapital kommen. Auf lange Sicht könnten wir so den Anschluss verlieren.“ Rhebo hat ein System entwickelt, um Hackerangriffe auf Industrieanlagen oder sensible Infrastruktur wie Kraftwerke frühzeitig zu erkennen.
Bei Fehlern steht schnell der Staatsanwalt vor der Tür
Neben der Kritik gab es bei der morgendlichen Veranstaltung auch Lichtblicke. So gelobten die Verantwortlichen aus der sächsischen Verwaltung unter anderem bei den Förderprogrammen für Gründer in der Anfangsphase Besserung. „Wir wollen die Strukturen so gestalten, dass schnell und unbürokratisch über Anträge entschieden wird. Da es jedoch in unserem Fall öffentliche Gelder sind, bewegen wir uns immer in einem Spannungsverhältnis. Einerseits soll ein Beamter ganz schnell entscheiden, aber andererseits stehen bei einem Fehler auch ganz schnell der Staatsanwalt und die Presse vor der Tür“, beschrieb Thomas Popp das Dilemma.
Kretschmer: Millionäre als Geldgeber gewinnen
Ministerpräsident Kretschmer plädierte unterdessen noch für einen weiteren Weg. „Es gibt ja in Sachsen mittlerweile auch Millionäre. Und diese würden vielleicht gern in Startups investieren, haben aber womöglich noch nichts davon gehört. Sparkassen und Volksbanken wissen, wer das Geld hat. Sie könnten darauf hinweisen.“
Stephan Hönigschmid