Startup aus Dresden kämpft gegen die Vermüllung des Weltraums
Die Firma „Morpheus Space“ hat den kleinsten Satellitenantrieb der Welt entwickelt. Statt herkömmlichem Treibstoff benötigt er Metall. Ende Februar wurde der Antrieb erstmals im Weltraum gezündet.
Dresden. Der Markt für schuhkartongroße Nanosatelliten wächst. Anbieter wie „Planet Labs“ schießen sie seit 2010 in den Weltraum, um beispielsweise Aufnahmen für Reedereien oder die Landwirtschaft zu machen. Weil die Kosten mit etwa 100.000 Euro pro Kilogramm im Vergleich zu herkömmlichen Satelliten, für die schnell mal 100 Millionen Euro fällig werden, recht günstig sind, wächst die Branche enorm. Allerdings gibt es da ein Problem.
Schrott erreicht im All gewaltige Geschwindigkeiten
„Derzeit werden die Satelliten im Weltraum ausgesetzt, können aber anders als große Satelliten nicht gesteuert werden“, erklärt Geschäftsführer Daniel Bock (31) vom Dresdner Startup „Morpheus Space“. Nach dem Ende ihrer Lebensdauer würden diese deshalb noch jahrzehntelang durch den Orbit schweben und diesen zunehmend vermüllen. „Der Schrott erreicht in der Umlaufbahn Geschwindigkeiten von reichlich 30.000 Stundenkilometern. Das kann man sich vorstellen wie eine Ansammlung von vielen kleinen Projektilen.“ Diese könnten enormen Schaden anrichten, weshalb auch die Raumstation ISS alle paar Monate immer mal wieder dem Schrott ausweichen müsse, so Daniel Bock.
Geschäftsmodell der Nanosatelliten ist bedroht
Für den expandierenden Markt der sogenannten Nanosatelliten, der als Milliardenmarkt gilt, ist das eine schlechte Nachricht. Denn eigentlich möchten die Anbieter in den kommenden Jahren noch deutlich mehr Satelliten ins All befördern. Eine Studie der Firma Space Works erwartet, dass allein 2019 294 bis 393 derartige Satelliten ins All gebracht werden. Das wäre ein Anstieg von 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Wenn der Weltraum jedoch zunehmend vermüllt, kann es sein, dass irgendwann keine neuen Satelliten mehr hinzukommen können und somit das Geschäft mit den Nanosatelliten zum Erliegen kommt“, sagt Geschäftsführer Daniel Bock..
Damit das nicht passiert, hat er sich zusammen mit fünf Mitgründern eine Lösung überlegt. „In den vergangen sieben Jahren haben wir für diese Satelliten einen Ionenstrahlantrieb entwickelt. Auf diese Weise können sie dem Weltraumschrott ausweichen. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass alte Satelliten gezielt zum Absturz gebracht werden, damit es im All weniger Müll gibt“, sagt Daniel Bock.
Metall wird aufgeladen und beschleunigt
Bei dem Antrieb „made in Dresden“ handelt es sich nach Angaben des Startups um den weltweit kleinsten Ionenstrahlantrieb. Anders als herkömmliche Satelliten braucht er kein Gas oder sonstigen Treibstoff, sondern nur eines: Metall. „Das Metall wird aufgeladen und in einem elektrischen Feld nach draußen beschleunigt.“ Dabei würden einzelne Ladungsteilchen Geschwindigkeiten von bis zu 360.000 Stundenkilometern erreichen und das bei äußerst geringem Treibstoffverbrauch. Ein viertel Gramm Metall reicht monatelang für den Antrieb eines Satelliten aus.
Triebwerke so groß wie Eierbecher
Die größeren Triebwerke sind etwa so groß wie ein Eierbecher. Sie haben eine Lebensdauer von drei Jahren. Möglich ist das durch einen sehr geringen Energieverbrauch. Mit sieben Watt hat ein großes Triebwerk gerade mal die Leistung einer Energiesparlampe. Dass das auch tatsächlich funktioniert, beweisen die Dresdner momentan auf einer Testmission im Weltraum. Vier Fingerhut-große Antriebe befinden sich gegenwärtig auf dem einen Kilogramm schweren Nano-Satelliten „UWE-4“ der Universität Würzburg. Dieser wurde am 27. Dezember 2018 ins All geschossen. Die Zündung der Dresdner Triebwerke erfolgte erstmals am 26. Februar 2019.
Aufbau einer Produktionsanlage in Dresden
Nachdem das Startup mit der Produktentwicklung fertig ist, möchte es jetzt hochskalieren und eine Produktionsstätte für mehrere hundert Triebwerke pro Jahr ausbauen. Kunden zahlen dafür einen reichlich fünfstelligen Betrag. Zusätzlich will die Firma Services für Satellitenbetreiber anbieten. „Wir wollen eine Software anbieten, mit der sich die Satelliten überwachen und steuern lassen, um Kollisionen zu verhindern.“ Angedacht sei zudem eine auf künstlicher Intelligenz basierende Anwendung, um eine Formation von hunderten oder gar tausenden Satelliten so zu verändern, dass sie ganz bestimmte Fotos, zum Beispiel vom Mount Everest, machen können. Von dieser Fähigkeit, die Gestalt der Satellitenformation verändern zu können, stammt übrigens auch der Name des Startups: Morpheus. Gleichzeitig ist er auch eine Reminiszenz an den griechischen Gott der Träume.
Landeshauptstadt soll Raumfahrtzentrum werden
Einen Traum haben auch die Gründer der Satellitenfirma, die in ihrer sächsischen Heimat viel bewegen wollen. „Wir möchten die Startupszene weiter stärken und in Dresden ein Zentrum für die Raumfahrt aufbauen“, sagt Daniel Bock, der so wie die meisten seiner Mitstreiter Luft- und Raumfahrttechnik in Dresden studiert hat und demnächst seine Doktorarbeit abschließt.
Stephan Hönigschmid