Leipziger Startup hebt Datenschatz für Unternehmen
Mit der Suchmaschine von thinkers.ai sollen Firmen schnell Informationen über ihren jeweiligen Markt und Konkurrenten finden können. Das hat seinen Preis.
Leipzig/Wien. Wer in Deutschland an eine Suchmaschine denkt, dem kommt unweigerlich Google in den Sinn. Angesichts eines Marktanteils von 84 Prozent bei der Desktopsuche und 97 Prozent bei der mobilen Suche ist das auch kein Wunder. Allerdings muss die Suchmaschine nicht in jedem Fall die beste Wahl sein, insbesondere für Unternehmen, die damit ihren Markt sondieren und überwachen wollen. Diese Meinung vertritt das österreichische Machine-Learning-Unternehmen thinkers.ai, das seit Kurzem auch in Leipzig einen Firmensitz hat.
„Wenn Sie auf Google etwas suchen, dann sind die Ergebnisse auf der ersten und zweiten Seite noch recht gut, danach wird es aber häufig schwammig“, sagt die Geschäftsführerin und Mitgründerin von thinkers.ai, Isabell Claus (40). Problematisch sei das vor allem für Unternehmen im sogenannten Business-to-Business-Bereich, also dort, wo nicht der Endkunde, der Konsument, im Vordergrund steht, sondern das Geschäft von einer Firma mit einer anderen.
Keine Zeitverschwendung bei der Suche im Netz
„Mit der herkömmlichen Suche braucht man sehr viel Zeit, um auch die qualitativ hochwertigen Informationen in der ganzen Breite zu erfassen“, sagt die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin. Eine Rolle spiele dabei auch, dass es gar nicht gewünscht sei, dass man alle Informationen sofort findet, da es das Geschäftsmodell von Google & Co. sei, die Leute solange wie möglich auf der Seite zu halten, um Werbeumsätze zu generieren, so Claus.
Um das zu ändern, entwickelte sie gemeinsam mit dem Wiener Mathematiker und Datenwissenschaftler Wolfgang Ecker-Lala (56) eine neuartige Suchmaschine, die insbesondere auf die Bedürfnisse von Firmenkunden zugeschnitten ist. Um für den jeweiligen Kunden spezifische und genaue Suchergebnisse zu erzielen, bedient sich thinkers.ai der Text-Mining-Technologie, mittels derer Texte aus dem Web ausgewertet werden können. Datenexperten bringen dazu Computern bei, zu lesen, Informationen aufzunehmen, ihre Bedeutung zu verstehen und thematisch Irrelevantes auszusortieren.
Energiewirtschaft oder „Positive Energie“
„Wenn Sie bisher beispielsweise nach dem Keyword ‚Energie‘ suchen, dann bekommen sie auch Ergebnisse zu ‚positiver Energie‘. Bei unserer Suchmaschine passiert das nicht, weil wir nicht das Keyword, sondern den Kontext analysieren“, sagt Claus. Mit nur wenigen Texten könne man den entwickelten Algorithmus „anlernen“ und damit eine Trefferrate von 93 Prozent erzielen.
„Die restlichen sieben Prozent werden dann weiter bearbeitet und verfeinert und mit neuen Mustern angereichert, so dass die Suche immer besser wird.“ Dabei beziehe man auf Wunsch auch spezielle Quellen wie beispielsweise Fachdatenbanken mit ein, erklärt die Gründerin und fügt an: „Ziel ist es am Ende, dass unsere Kunden die Informationen schneller als ihre Wettbewerber haben und sich dadurch ein Wettbewerbsvorteil ergibt.“
Während die Maschine die massenhaften Daten verarbeite, könne sich der Mensch darauf konzentrieren, diese auszuwerten und darauf basierend beispielsweise Investitionsentscheidungen zu treffen, so Claus. Mit Hilfe von Reporting-Tools, Visualisierungen und E-Mail-Benachrichtigungen landet eine automatisch generierte Zusammenfassung zum jeweiligen Markt beim Nutzer.
Pilotprojekt mit Wiener Energieversorger
Dass es dafür Interesse gibt, merkten die Gründer schnell. „Wir hatten ein Pilotprojekt mit ‚Wien Energie‘ und haben uns dort beispielsweise mit den Themen ‚Sicherheit im Energiebereich‘ sowie dem Energiemarkt insgesamt beschäftigt. Zu dieser Zeit waren wir noch im Inkubator der Uni Wien und haben kontinuierlich abgefragt, wie es ankommt und was verbessert werden muss.“ Innerhalb kurzer Zeit seien dann weitere große Kunden hingekommen.
Dennoch denkt Isabell Claus, dass nicht nur Konzerne von der Suchmaschine profitieren. „Das kann auch für mittelständische Motorenhersteller und Zulieferer interessant sein. Die haben beispielsweise in Asien und in den USA Kunden, aber eben auch Konkurrenten. Für die Firmen hierzulande ist es daher essentiell, frühzeitig zu wissen, welche neuen Produkte die Wettbewerber herstellen oder wie sich die Gesetze in dem Zielmarkt ändern“, sagt Isabell Claus.
Praktisch ist dabei, dass die Suchmaschine auch Chinesisch versteht und somit auch im „Reich der Mitte“ gezielt nach Informationen suchen kann. Für den Service zahlen die Unternehmen laut thinkers.ai je nach Zahl der Themen, die beobachtet werden, im Schnitt einen vier- bis fünfstelligen Betrag pro Jahr. Für ein mittelständisches Unternehmen liegen die Jahresgebühren zum Beispiel in der Regel um die 15.000 Euro, teilt das Startup mit. Derzeit kommen die Kunden vor allem aus Österreich, dem Vereinigten Königreich und Deutschland.
Von Leipzig aus den deutschen Markt erobern
Da der deutsche Markt für das Startup enorm wichtig ist, eröffnete die Firma Anfang März eine Niederlassung in Leipzig. „Mitteldeutschland ist für uns auch geografisch günstig, da wir von hier aus sowohl den Markt im Norden als auch im Süden gut bearbeiten können.“ Zudem habe Leipzig mit seiner aktiven Startup-Szene und Universität ein gutes Potenzial, um neue Mitarbeiter zu rekrutieren, sagt die gebürtige Chemnitzerin, die als Teil des Gründerteams mit der Firma „Radar Cyber Security“ schon einmal erfolgreich ein Startup aufgebaut hat. 2018 wurde die Firma mehrheitlich von Cyoss aus München übernommen.
Bei thinkers.ai fängt sie quasi wieder von vorn an. Dennoch ist das Startup bereits kräftig gewachsen. Derzeit umfasst die 2019 gegründete Firma 14 Mitarbeiter, von denen die meisten Data Scientists, also Datenwissenschaftler sind. Weitere sollen folgen. Aktuell sucht thinkers.ai in Leipzig Werkstudenten, unter anderem mit einem Finanzhintergrund oder Kenntnissen aus dem Automotivebereich. Sie sollen im sogenannten Research Team neue Branchen für die Suchmaschine anlegen. In den nächsten Jahren will das Startup weiter wachsen. Die Aktivitäten sollen dann Richtung Osteuropa und Asien ausgedehnt werden.