founderella-logo-newsletter

– Der Newsletter –

Header-Newsletter
von Stephan Hönigschmid
(sh@founderella.de)
Liebe Leserinnen und Leser,

Deutschlands Gründerszene hat ein Frauenproblem. Wie der „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe treffend herausarbeitet, haben auch viele Jahre der Frauenförderung daran nichts geändert. Gerade einmal vier Prozent der deutschen Startups werden demnach von einer Frau gegründet. 16 Prozent haben immerhin eine Frau im Gründungsteam. International bekleckert sich die Bundesrepublik damit nicht gerade mit Ruhm. Bei den Finanzierungen setzt sich das Elend wenig überraschend fort. Sobald es um richtig Geld geht, also eine Million Euro und aufwärts, erhalten lediglich fünf Prozent der Frauenteams von Investoren eine Kapitalspritze, während es bei Männern 28 Prozent sind.

Investoren verpassen Riesenchance

Dass das auch ökonomisch dumm ist, zeigt ein Beispiel, das der „Spiegel“ in seinem Artikel benennt. So hat Verena Hubertz mit der Koch-App „Kitchen Stories“ eine der erfolgreichsten deutschen Gründungen in den vergangenen zehn Jahren hingelegt. Als sie jedoch ganz am Anfang mit Mitte 20 auf Investorensuche ging, hätten die männlichen Geldgeber nur naive Frauen beim Kochen gesehen. Am Ende verpassten sie ihre Chance. Denn 2017 stieg schließlich eine Tochterfirma von Bosch bei „Kitchen Stories“ ein – mit einem zweistelligen Millionenbetrag.

Aufträge statt symbolische Ehrungen

Ähnlich wie im Bund ist die Lage in Sachsen. Auch hierzulande gibt es kaum Gründerinnen. Zwar veranstaltet der Freistaat jedes Jahr den Gründerinnenpreis, allerdings mutet auch der eher wie eine Alibiveranstaltung an. Larissa Holzki hat kürzlich im „Handelsblatt beschrieben, was der bessere Weg wäre. Pointiert könnte man sagen: Nur Bares ist Wahres!

Dax-Konzerne der Zukunft

Statt Startups und auch einzelne Gründerinnen nur mit einer „Jugend-forscht-Brille“ als eine Art Schülerprojekt zu betrachten, sollte klar sein: Das können die Dax-Konzerne von morgen sein. Wenn der Staat nicht will, dass die Gründungen der Zukunft im Ausland stattfinden, muss er anfangen, gezielt Aufträge zu vergeben. Der Vorteil dabei: Anders als private Investoren darf der Staat ohnehin keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern machen. Für das Land wäre das eine gute Nachricht. Ein größerer Teil des kreativen Potenzials würde endlich genutzt werden.

Da wir nicht nur kritisieren, sondern auch Mut machen wollen, stellen wir heute eine Gründerin aus Dresden vor. Sie hat sich zunächst als freiberufliche App-Entwicklerin selbstständig gemacht und führt inzwischen ihre eigene Agentur. Wie sie ihren bisherigen Weg gemeistert hat, verrät sie uns im heutigen „Longread“.

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Stephan Hönigschmid, Journalist und Autor

„Ich wollte nicht länger das ‚Programmieräffchen‘ sein“

Frauen sind in Sachsens Gründerszene noch immer in der Minderheit. Die Dresdnerin Cathleen Scharfe ließ sich davon nicht abschrecken, sondern folgte ihrem Traum.

cathleen-scharfe-herzdigital-PR-siegfried-michael-wagner-542
Die Dresdner Gründerin Cathleen Scharfe hat sich bewusst für die Selbstständigkeit entschieden. Mit Zuversicht schaut sie in die Zukunft. Foto: Siegfried Michael Wagner für „herzdigital
Viele Menschen träumen davon, sich selbstständig zu machen. Allerdings setzen nur die Wenigsten ihr Vorhaben um. Vor allem Frauen sind in der Gründerszene eine Seltenheit. In Sachsen beträgt ihr Anteil gerade einmal acht Prozent. Interessanter als Zahlen sind jedoch die Menschen dahinter. Eine Frau, die gewissermaßen den Sprung ins kalte Wasser gewagt hat, ist die 31-jährige Cathleen Scharfe. Seit 2016 ist sie als App-Entwicklerin tätig. Nach einigen Jahren als Freiberuflerin hat sie 2019 mit „herzdigital“ ihre eigene Agentur gegründet.

Flexibel und ortsunabhängig arbeiten als großes Ziel

Für die Dresdnerin steht beim Unternehmertum von Anfang an die Begeisterung an erster Stelle. „Ich habe eigentlich nie darüber nachgedacht, ob es in der Gründerszene oder in der Informatik nur wenige Frauen gibt. Bei mir war einfach der Drang so groß, etwas Eigenes zu machen.“ Als sie noch angestellt war, habe sie die Freiberufler immer bewundert: „Das war echt cool. Die konnten in unserer Agentur praktisch kommen und gehen wann sie wollten. Diese Möglichkeit, sich seine Zeit frei einteilen zu können und auch ortsunabhängig zu arbeiten, haben mir gefallen“, erinnert sich Cathleen Scharfe.

Sie halte nichts davon, nur die Zeit abzusitzen. Stattdessen müsse die Leistung dem aktuellen Energielevel angepasst werden, sagt sie. Darüber hinaus ist es gerade im App-Markt auch wirtschaftlich attraktiv, sich selbstständig zu machen. „Das Potenzial ist wirklich enorm. Als Entwickler hat man da viele Chancen“, sagt die 31-Jährige.

Start mit nebenberuflicher Selbstständigkeit

Mitte 2016 fällt für Cathleen Scharfe der Startschuss. „Ich habe das erste halbe Jahr nebenberuflich gegründet. Das hat mir die Zeit gegeben, in Ruhe alles vorzubereiten und beispielsweise meine Internetseite aufzusetzen und die Profile auf LinkedIn und Xing zu pflegen“, sagt die studierte Informatikerin.

Ernst wird es ab Januar 2017, als sie vollständig auf eigenen Füßen steht. Lange auf Aufträge warten muss sie aber nicht. Auch da hatte sie die Weichen im Vorfeld bereits richtig gestellt. „Ich hatte mich bei einer Agentur registriert, die Aufträge für App-Entwickler vermittelt. Obwohl dabei 20 Prozent Provision fällig werden, ist das gerade zu Beginn der Selbstständigkeit eine gute Option.“ Außerdem nehme einem die Agentur jede Menge Bürokratie ab, so Cathleen Scharfe.
cathleen-scharfe-herzdigital-siegfried-michael-wagner-2-542
Cathleen Scharfe während eines Gesprächs in ihrem Büro im Dresdner Impact Hub. Foto: Siegfried Michael Wagner für „herzdigital

Erster Auftrag in Berliner Agentur

Ihr erster Auftrag führt die Dresdnerin in eine Berliner Agentur. Und dort gibt es gleich eine klare Ansage. „Ich wurde als Android-Entwicklerin eingekauft. Und da hieß es, dass man mich nicht engagiert hätte, wenn ich nicht die absolute Expertin auf dem Gebiet wäre.“ Zwei Monate dauert das Gastspiel in der Hauptstadt, dann ist der Auftrag abgeschlossen.

Anschließend braucht Cathleen Scharfe keine Hilfe mehr, um an Aufträge zu kommen. „Ich habe mich zwar bei der Vermittlungsagentur noch nicht abgemeldet. Allerdings habe ich in der Folgezeit sehr von der Mund-zu-Mund-Propaganda profitiert. Es sind zahlreiche Anfragen bei mir eingegangen“, denkt sie an die Zeit zurück.

Notwendigkeit, sich selbst besser zu organisieren

Obwohl es gut läuft, ist sie auch selbstkritisch. „Ich habe bestimmte Arbeitsabläufe auf den Prüfstand gestellt.“ Anstatt sich einfach hinzusetzen und loszuarbeiten, habe sie ihre Arbeit zunehmend strukturiert. „Ich habe beispielsweise den Tag in Blöcke eingeteilt. Es gibt klare Abläufe, was unter anderem bedeutet, dass E-Mails nur zu festen Zeiten abgerufen werden“, erklärt die Gründerin. Parallel dazu hat sie auch ihr Geschäftsmodell weiterentwickelt und 2019 das auf Gesundheits-Apps spezialisierte Unternehmen „herzdigital“ gegründet.

App-Entwicklung von Anfang bis Ende betreuen

„Überspitzt gesagt wollte ich nicht länger das ‚Programmieräffchen‘ sein und nur einen Teilbereich einer App betreuen. Mir war es wichtig, den Prozess von Anfang bis zum Ende zu begleiten.“ Ein Stundensatzdenken passe dazu nicht. Daher gebe es in ihrer Firma seitdem nur noch Produkt- und Workshop-Pakete, so Cathleen Scharfe.

Zusätzlich zu den organisatorischen Überlegungen existiert auch eine emotionale Komponente: „Ich habe mir gewünscht etwas zu machen, wo ich direkt einen Nutzen beim Menschen sehe. Der Gesundheitsmarkt bietet sich dafür an.“ So habe sie mit „herzdigital“ für das Startup „Lingo Lab“ eine Logopädie-App entwickelt, welche es ermöglicht, die Therapie des Logopäden zu Hause fortzusetzen.

„Mit der App können die Patienten die Aussprache von bestimmten Worten trainieren und bekommen gleich Feedback, ob es richtig ist“, erklärt Cathleen Scharfe und fügt an: „Das ist nur ein Beispiel. Im Gesundheitsbereich gibt es jede Menge Probleme, für die eine digitale Lösung denkbar ist. Häufig fehlt jedoch das technische Wissen. Mit ‚herzdigital‘ will ich dabei helfen, damit diese Projekte umgesetzt werden können.“
cathleen-scharfe-herzdigital-pr-siegfried-michael-wagner-3-542
Mit ihrer Agentur „herzdigital“ hat Cathleen Scharfe den Gesundheitsmarkt fest im Blick. Foto: Siegfried Michael Wagner für „herzdigital

Mit Charme und Durchsetzungsvermögen

Bei den Verhandlungen für die Projekte trifft Cathleen Scharfe noch immer auf eine von Männern dominierte Welt. Gelegentlich muss sie sich als junge Frau dabei den nötigen Respekt erst erkämpfen. „Es gab Situationen, wo ich mich nicht ernst genommen gefühlt habe. Ich habe das dann auch mal direkt angesprochen.“ Sie empfinde das als Ungerechtigkeit, sagt die Gründerin und fügt an: „Allerdings habe ich immer versucht, mich eher auf meine Leistung zu konzentrieren und damit zu überzeugen, anstatt mich darauf zu fokussieren, wo ich vielleicht nicht ernst genommen werden könnte.“

Anderen Frauen will die Gründerin Mut machen, ebenfalls ihre Träume zu verwirklichen. „Ich habe bei Workshops in Schulen festgestellt, dass viele Mädchen Angst vorm Programmieren haben. Es ist wichtig, ihnen zu zeigen, dass das keine Magie ist, sondern dass sie es können, wenn sie sich damit beschäftigen“, denkt die Gründerin, die seit ihrer Kindheit von der Computerwelt fasziniert ist.

Stephan Hönigschmid

https://www.herzdigital.de
Werbung
imgev-r_herbst_2020_de_banner_300x250px-1601458375330

Empfehlt uns weiter und schickt die Mail an drei Eurer Freunde. Danke.

TOP 5

Die Cannabis-Revolution – Verliert Deutschland den Anschluss?

Immer mehr Bundesstaaten in den USA legalisieren Cannabis. Es warten riesige Geschäfte - für die Privatwirtschaft und für den Staat. Foto: Gordon Johnson via Pixabay
Seit 2017 ist Cannabis in Deutschland für medizinische Zwecke legal. Ganz so stürmisch wie in den USA und Kanada hat sich das Geschäft aber bisher nicht entwickelt. Das hat Gründe.

Sechs Millionen Euro für Leipziger Blutanalyse-Startup

Sechs Millionen Euro für Leipziger Blutanalyse-Startup
Eine Gruppe von nordamerikanischen Investoren stellt das Geld zur Verfügung. Jetzt sollen weitere Mitarbeiter eingestellt werden. 

US-Blockchain-Firma geht erneut in Sachsen auf Shopping-Tour

US-Blockchain-Firma geht erneut in Sachsen auf Shopping-Tour
Diesmal haben die Amerikaner ein Startup aus Dresden gekauft. Gemeinsam wollen beide die digitalen Identitäten von Menschen schützen.

122 Millionen Euro für Chemnitzer Startup Staffbase

Die Staffbase-Gründer Frank Wolf, Lutz Gerlach und Marin Böhringer (von links) können sich über eine Rekordinvestition für ihre Firma freuen. Foto: Gene Glover für Staffbase
Ein US-Investor steigt bei dem Unternehmen für Mitarbeiterkommunikation ein. Die Höhe der Finanzierung ist für Sachsens Startup-Szene ein neuer Rekord.

Dresdner Startup will Entwicklung von Medikamenten beschleunigen

PharAI aus Dresden und NanoTemper aus München kooperieren jetzt. Foto: PR/PharmAI
Die Firma PharmAI kooperiert dazu mit dem Münchner Unternehmen NanoTemper. Vor allem kleinere Labore sollen von der Zusammenarbeit profitieren.